Leben ist kurz, iss den Nachtisch zuerst
gerechnet! »Was wollen Sie damit sagen, es existiert kein Harold Folgard? Natürlich existiert er! Lizzy und ich waren in seiner Anwaltskanzlei. Das war doch der Grund, weshalb wir später für Sie gearbeitet haben!«
»Sie waren zusammen mit Lizzy in einem leeren Büro mit an die Tür geklebtem Namensschild.«
»Aber der Wachmann vom Sicherheitsdienst … der Polizist …«
»Es ist erstaunlich, wie bereitwillig die Leute mitspielen, wenn es um eine gute Sache geht. Sogar der Postbote hatte
seine Rolle, indem er dafür zu sorgen hatte, dass das Paket in Abwesenheit Ihrer Mutter ankommt, damit Sie es entgegennehmen. Auch Schlüssel-Larry hat seinen Part gespielt. Der gute, alte Larry. Er hatte daran zu kauen, dass wir bis zu Ihrem dreizehnten Geburtstag warten mussten. Ich glaube, er hat die Schließung seines Ladens bis zu dem entscheidenden Tag aufgeschoben. Am schwierigsten, denke ich, war die ganze Sache aber für Ihre Mutter.«
Ich starre ihn fassungslos an. »Ich verstehe das nicht. Sie haben das alles meinetwegen getan? Warum? Sie kennen mich nicht mal. Ich meine, Sie haben mich vor dem Ganzen gar nicht gekannt.«
»Nicht ich habe das für Sie getan«, erklärt Mr Oswald. »Es war Ihr Vater. Er hat sich das alles ausgedacht. Die Details hat er dann mir überlassen. Die Arbeiten, die Sie für mich übernommen haben – die Rückgabe der verpfändeten Gegenstände -, das war natürlich echt.«
»Aber was wäre gewesen, wenn ich nicht in mein Notizbuch geschrieben hätte, dass Lizzy gerade wieder eine Karte gefunden hat und welche beiden ihr noch fehlen? Wie hätten Sie das dann herausgekriegt? Was hätte Dad für Lizzy in die Kassette gelegt?«
»Wenn Sie es mir nicht erzählt hätten, hätte ich das Gespräch auf Ihre Sammlungen gelenkt. Ihr Dad hat alle zweiundfünfzig Karten eines Spiels beschriftet in der Hoffnung, dass Lizzy ihre Sammlung noch nicht vervollständigt haben würde. Und falls doch, hatte er mich gebeten, herauszufinden, was sie sich wünscht, und das stattdessen in die Kassette zu legen.«
»Wann haben Sie die Karte hineingelegt?«
»Als James Ihnen irgendwann vorgeschlagen hat, Ihre Rucksäcke
im Wagen zu lassen. Ich habe meine Schlüssel benutzt und die Karte am Rand unter das Geschenkpapier geschoben.«
Mir ist bewusst, dass ich ihn mit Fragen bombardiere, aber ich kann nicht anders. »Seit wann haben Sie meinen Vater gekannt? Warum hat er nie von Ihnen gesprochen?«
»Ich habe Ihren Vater am selben Tag wie Sie kennengelernt. Vor sieben Jahren.«
»Aber ich bin Ihnen vor ein paar Wochen zum ersten Mal begegnet!«
Er schüttelt den Kopf. »Damals habe ich ein wenig jünger ausgesehen und ich trug einen Strohhut und einen Arbeitsoverall. Sie waren zweifellos zu klein, um sich jetzt noch daran zu erinnern. Ihr Vater kam auf dem Flohmarkt in der 26th Street zu mir. Er bewunderte die Kassetten, die ich verkaufte. Sie haben nicht allzu lange mit ihm dort gestanden. Er bat Ihre Mutter, mit Ihnen wegzugehen, damit er ein Geschenk für Sie kaufen konnte.«
Deswegen also hatte ich die seltsame Vorstellung, er müsste einen Strohhut und einen Overall tragen, als ich ihn das erste Mal auf der Treppe sah!
»Ihr Vater und ich stellten fest, dass wir eine Menge gemeinsam hatten. Er begann, seinen Plan fast sofort zu schmieden, nachdem er die Kassette gekauft hatte. Er hat Ihnen nie von mir erzählt, damit Sie, wenn wir uns begegneten, keinerlei Verdacht schöpfen würden.«
Ungläubig schüttle ich den Kopf. »Aber warum hat Dad das alles getan? Warum hat er mir nicht einfach die Schlüssel und die Kassette hinterlassen?«
»Wissen Sie das nicht?«, fragt Mr Oswald und beugt sich vor.
Ich schüttle den Kopf.
»Er tat es, damit Sie ein Abenteuer erleben. Damit Sie mit Menschen in Kontakt kommen und Erfahrungen sammeln, die Ihnen sonst ganz sicher entgangen wären. Damit Sie über das Leben nachzudenken anfangen, bevor Sie hören, was wir zu diesem Thema zu sagen haben. Damit Sie sich für das alles ein bisschen ins Zeug legen. Na schön, gewaltig ins Zeug legen!«
Ich höre, was Mr Oswald sagt, aber mir spuken all die »Abers« im Kopf herum. »Aber woher wusste er, dass wir zu Schlüssel-Larry und in Harold Folgards Büro gehen würden?«
Er lächelt. »Ihr Vater hat großes Vertrauen in die Entwicklung der Dinge gesetzt. Er hoffte, dass Sie noch mit Lizzy befreundet wären und dass Lizzys Zielstrebigkeit gepaart mit Ihrer natürlichen Neugierde Sie beide antreiben würde. Gut, wir
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