Leben lassen - ein Mira-Valensky-Krimi
hat sich umgebracht.“
Emma Mandelbauer starrt mich an. „Das hat aber nichts mit mir zu tun.“
Ich renne aus dem Geschäft. Von hier zu Zerwolfs Wohnung ist es nicht weit. Mit wem hat es denn zu tun, dass sich der Philosoph umgebracht hat? Mira, du kannst ihr nicht die Schuld geben. Das wäre zu einfach. Wahrscheinlich geht es gar nicht um Schuld. Worum dann? Ist jeder für sich selber und sein Tun verantwortlich? Darüber hätte ich mit Zerwolf gerne diskutiert.
Seltsamerweise steht keiner vor seinem Haus. Keine Journalisten. Keine Polizei. Keine Anhänger. Die Eingangstür ist offen. Ich gehe die Treppen nach oben. Läute. Die Assistentin öffnet mir. Auf dem Vorzimmerboden sind zwei große graue Schachteln, halb voll mit Büchern.
Sie sieht mich an. „Ich packe nur ein, was mir gehört. Es ist nicht viel, was bleibt“, sagt sie.
„Warum?“, frage ich.
„Er hat nichts gesagt.“ Sie räumt einige Bücher vom Vorzimmerkasten in einen der Kartons.
„Einmal hat er mit mir gesprochen“, sage ich.
„Das ist seltsam.“ Sie lächelt traurig.
„Warum hat er sich umgebracht? Wegen der Sudelgeschichten im ‚Blatt‘? Wegen der Vorwürfe, er habe Frauen belästigt? Wegen der Terrorsache?“
Sie schüttelt den Kopf. „Das glaube ich nicht. Vielleicht hat ihn das Nichts eingeholt. Das Gefühl, dass nichts mehr Sinn macht, was er tut, weil niemand den Sinn seines Schweigens verstanden hat. Ich hab ihn ja selbst nicht ganz verstanden.“
„Sie haben doch alle auf ihn gewartet“, murmle ich. „Sogar das Fernsehen wollte ihn.“
„Eben. Wenn er gesprochen hätte.“
„Sie haben ihn sehr gut gekannt?“, frage ich die junge Frau.
„Nein. Vielleicht hätte er auch bloß das gebraucht, was wir alle brauchen. Einen Freund. Ich war nur die Assistentin.“
Sie geht Richtung Arbeitszimmer. Eine weiße Tür, sie ist mit einem polizeilichen Absperrband versiegelt. Das Badezimmer. „Ich muss weitertun“, sagt Angelika. „Vielleicht können wir später telefonieren.“
Ich gebe ihr meine Telefonnummer und notiere mir ihre.
Warum hat Carmen gelogen? Warum sind ihre Kontakte mit Berger nicht auf dem Mobiltelefon? Und was, wenn er etwas mit ihrem Verschwinden zu tun hat? Wer sagt, dass Weis auch ein Mörder sein muss, nur weil er hinter der Bombendrohung steckt? Aber warum Berger? Er war bloß der im Hintergrund. Vielleicht ist es genau das. Vielleicht sollte man darüber genauer nachdenken. Weis hat so etwas gesagt. Unsinn, Mira. Lass dich nicht manipulieren. Berger hat mir geholfen. Ohne ihn hätte Ida Moylen nie gesagt, was sie wusste. Verhofen. Ich muss ihm das mit Carmens Mobiltelefon jedenfalls erzählen. Und was passiert dann? Weis wurde schon einvernommen. Berger wird einvernommen. Zerwolf lässt sich nicht mehr einvernehmen. Ich will nicht glauben, dass er tot ist. Dass die beiden Frauen tot sind. Ich muss herausfinden, ob das mit der verschwundenen SMS ein dummer Zufall war oder ob mehr dahintersteckt. Kann es ein Zufall sein, dass sowohl ein Anruf als auch eine SMS gelöscht wurden? Wobei ich natürlich nicht weiß, ob nicht auch andere Kontakte gelöscht worden sind. Was hast du schon zu verlieren, Mira? Ich muss mir etwas ausdenken. Berger weiß, dass Carmens Mobiltelefon gefunden wurde. Vielleicht hat er es selbst zu diesem Zweck bereitgelegt. Vielleicht hat er die letzte Nachricht selbst getippt. Das passt nicht zu ihm, so etwas würde zu Weis passen. Aber warum sollte der nicht die SMS an ihn, sondern die Kontakte zu Berger löschen? Zu viele wirre Gedanken.
Wer immer es war: Ich könnte versuchen, ihn zur Recyclinganlage zu locken. Slobo ist vor Ort. Ob er mich beschützen kann? Egal. Ich habe zugelassen, dass Carmen, Oskars Tochter, in die Sache hineingezogen wurde. Einer Reportage wegen. Bei ihr habe ich nicht gefragt, ob das nicht viel zu gefährlich sei. Carmen musste dran glauben, weil sie neugierig war. Einen anderen Grund gibt es nicht. Wollte man mich durch den Unfall aus dem Verkehr ziehen? Quatsch. Es gibt auch Zufälle.
Ich gehe Richtung Taxistandplatz. Was wäre, wenn ich Weis und Berger wissen ließe, dass ich die vollständigen Daten von Carmens Mobiltelefon habe? Carmen könnte sie ja auf Oskars Computer kopiert haben. Zur Sicherheit. Mir gehe es um meine Story fürs „Magazin“. Glaubt mir das jemand? Oh doch, sogar Oskar hat es geglaubt. Ich habe so vieles wiedergutzumachen. Ob ich es noch gutmachen kann? Ich muss zumindest alles tun, was in meiner Macht steht.
Ich
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