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Tag, an dem meine Schwester zur Dämonin wurde

Tag, an dem meine Schwester zur Dämonin wurde

Titel: Tag, an dem meine Schwester zur Dämonin wurde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O Krouk
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1
    Wann auch immer eine ambitionierte Sirene Dieter Bohlen zu reinkarnieren versuchte, war es an Zarah und Ash, sich um das Problem zu kümmern. Wann auch immer ein betrunkener Nöck in die Alster reiherte und eine aufgebrachte Nixe kurz davorstand, ihm die Kiemen mit einem Anker zu perforieren, waren es ebenfalls Zarah und Ash, die dazwischengingen. Vorfälle dieser Art fielen in den Zuständigkeitsbereich der Ordnungsaufseher.
    Nun lauerte Zarah auf einem Komposthaufen und spähte zu einem Einfamilienhaus hinüber, während unter ihrem Bauch die Eierschalen knirschten. Das eingefallene Dach, der halb zerstörte Schuppen – so nahe am Botanischen Garten zu wohnen, riskierten nur die ganz Waghalsigen. Oder arme Schlucker, die nirgends sonst unterkommen konnten. Andere Bürger bevorzugten Quartiere ohne pflanzliche Untermieter, die früher oder später Leute verspeisten.
    Hinter einem Fenster flackerte Kerzenlicht auf. Ein etwa sechzehnjähriges Mädchen kam ins Zimmer, gefolgt von einem Mann, der wild gestikulierte und ihm etwas hinterherrief. Obwohl die Wände alle Geräusche dämpften, nahmen sie dem Streit nicht gänzlich den Ton.
    Zielobjekt: Alessa Tewis.
    Befehl des Ordnungsamtes für den 06. 09. des 98. Jahres nach EdW: Festnahme und Übergabe an die Abteilung für Opferungen.
    Die Rettung des Mädchens und der Familie vor dieser Festnahme hat höchste Priorität.
    G.host
    PS : Hallo, Zarah.
    Hallo, Zarah.
    Ihre Finger bebten. Als hätte sie nicht vor einer Woche, sondern gerade erst › Hallo, G.host ‹ auf eine benutzte Serviette geschrieben, um diese mit einem Kaugummi auf die Unterseite des Mülleimerdeckels ihres Lieblingscoffeeshops zu kleben. Und heute enthielt der Auftragszettel nicht wie üblich trockene Informationen über ein baldiges Opfer, das ihre Hilfe brauchte, sondern zwei ganz persönliche Worte an sie. Einen Gruß.
    Eine Tür klapperte, die männliche Stimme erklang irgendwo im Hof. Jetzt rief diese Alessa hinter dem Fenster etwas, was nur undeutlich in die kalte Nacht drang.
    Das Menschenmädchen im Haus und die Dämonin auf dem Komposthaufen. Zarah senkte den Kopf. Welch verquere Laune der Natur hatte die zwei so unterschiedlichen Rassen äußerlich so gleich geformt? Nur besaß dieses Mädchen einen Familiennamen. Eine dazugehörige Familie. Und vor allem: eine Seele. Wie Zarah sie nicht hatte, aber dennoch begehrte. Für die Zarah alle Magie in ihrem Blut gegeben hätte. Denn was würde von einer Dämonin bleiben, sollte sie sterben? Während Alessas Seele ewig weiterleben würde, auch wenn der letzte Dämon von der Erde verschwände und es diesen Planeten womöglich gar nicht mehr gäbe.
    In der Dunkelheit näherten sich Schritte. Schwere Stiefel zertraten die regennasse Erde und das verwelkte Gras. Automatisch zuckte Zarahs Hand zur Waffe. Jedes fremde Geräusch konnte das Aus bedeuten. Früher oder später würden ähnliche Schritte das Ende ihrer waghalsigen Geheimmissionen einläuten.
    Aber nicht diese.
    Diesmal war es nur Ash.
    »Wo warst du so lange?« Sie machte ihm Platz. »Du wolltest doch nur pinkeln gehen. Oder hast du gewartet, bis ich den Komposthaufen für dich vorgewärmt habe?«
    »Bei der Gelegenheit habe ich mich etwas umgesehen. Die Familie wird nicht observiert.« Geschmeidig gesellte er sich zu ihr und zermalmte mit seinem Gewicht die Eierschalen noch feiner. »Wir haben einen beträchtlichen Vorsprung vor unseren Kollegen vom Ordnungsamt.«
    »Nicht beträchtlich genug, um hier weiter untätig herumzuhängen. Wir sollten uns beeilen, wenn wir diese Leute wirklich vor unseren Kollegen retten wollen.« Ein Knopf seiner Aufseherjacke hing an einem Faden herab. Sie zog daran und hatte das Ding in der Hand. Das durfte er hier nicht verlieren.
    »Sachte, sachte. Hast du die Mutter schon irgendwo entdeckt? Wir müssen die ganze Familie rausbringen.« Er rutschte hin und her, als hätte er vor, sich tiefer in den Haufen zu graben. Sein Ellbogen schwebte über einem fauligen Apfel. Sie sollte ihn warnen, ihm sagen …
    Du wirst nach alten Kartoffeln und Eierschalen müffeln , wenn dies hier vorbei ist. Ich werde dich trotzdem umarmen. Damit ich weiß, dass dein Herz noch schlägt.
    Sie hörte, wie der Apfel platzte.
    Nach alten Kartoffeln, Eierschalen und fauligen Äpfeln.
    »Ich stinke wie von einem Troll verschluckt und wieder ausgespuckt.«
    Hauptsache nicht nach Tod.
    Irgendwo knackte ein Ast. Es raschelte. Ihr Körper versteifte sich, und sie senkte die Stimme.

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