Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Leben lassen - ein Mira-Valensky-Krimi

Leben lassen - ein Mira-Valensky-Krimi

Titel: Leben lassen - ein Mira-Valensky-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wien/Bozen Folio Verlag
Vom Netzwerk:
geschickt hat.
    Zeitungsstand. Abendausgabe des „Blatt“. Ich sehe schon Dinge, die es nicht geben kann. Ich habe zu wenig geschlafen. Es steht trotzdem da:
    „Terror-Philosoph richtet sich selbst!“
    Ich lasse mir die Zeitung geben, ich merke erst beim Zahlen, dass meine Finger zittern. Ich schlage die Zeitung auf. Der Artikel füllt die ganze dritte Seite. Zerwolf hat sich die Pulsadern aufgeschnitten. Man lebt. Man hat gelebt. Man ist tot.
    Das „Blatt“ wertet das als Schuldeingeständnis. Ich schüttle den Kopf. Er war auch nur ein Mensch. Er hat den Druck nicht mehr ausgehalten. Ich hätte seine Botschaft richtig deuten müssen. Sie war so etwas wie ein letzter Aufschrei. Er hat geschrien, dass das Leben doch sinnlos sei. Er hat darum gebettelt, vom Gegenteil überzeugt zu werden. Ich hätte mich durchsetzen müssen, ich hätte zu ihm vordringen müssen. Stopp, Mira. Du hast es versucht. Er hat nicht aufgemacht. Wie hätte er denn wissen sollen, dass du es bist? Warum glaubst du denn, dass du wichtig gewesen wärst für ihn? Immerhin. Er hat mit mir geredet. Eine halbe Nacht lang. Ich hätte ihm eine E-Mail schicken können. Aber ich habe mich ja einschüchtern lassen. Angst gehabt, dass man mir eine Verbindung zu angeblichen Terrorkreisen nachsagen könnte. Er war es nicht. Das weiß ich. Wie erreiche ich seine Assistentin? Es ist das Einzige, was ich noch für ihn tun kann. Für den großen Philosophen, der lieber geschwiegen hat. Weis war es, der gedroht hat, das Rathaus zu sprengen. Aus Neugier. Nein, aus Gier. Sein Buch sollte erfolgreich werden, erfolgreicher als ohne dieses letzte Kapitel. Er ist verrückt. Carmen wollte Zerwolf treffen. Hat sie ihn getroffen? Wir werden es wohl nicht mehr erfahren. Und was, wenn alles doch ganz anders war? Zerwolf war Philosoph. Er war intelligent genug, um mit uns zu spielen. Nicht nur Weis ist im Rathaussaal stehen geblieben. Auch Zerwolf ist nicht geflohen. Weil er Angst vor zu vielen Menschen auf engem Raum hatte. Als Carmen verschwunden ist, war er noch nicht von Journalisten belagert. Am selben Abend hat er die Botschaft ins Internet gestellt. Man lebt. Man hat gelebt. Man ist tot. Hat er damit generell gemeint, das Leben sei unwichtig, sinnlos, wertlos, jedenfalls bald Vergangenheit? Oder hat er damit Carmens Leben gemeint? Das „Blatt“ weiß, dass noch jemand verschwunden ist. Wer es ist, wissen sie noch nicht.

[ 14. ]
    Ich bin Zerwolf etwas schuldig. Ich nehme die U-Bahn, ich muss zum Schuhgeschäft von Emma Mandelbauer. Ich hätte die Sache mit den angeblichen Übergriffen klären können. Ich habe mich ablenken lassen. Ablenken? Es gab so vieles, was auf einmal passiert ist.
    Ich stoße die Türe auf, eine Glocke bimmelt. Niemand zu sehen. Nur Regale voll mit Schuhen, Preistafeln, Hinweisen auf Sonderangebote. Gleich ist Geschäftsschluss. Emma Mandelbauer kommt mit verkaufsförderndem Lächeln aus einem Nebenraum. Als sie mich sieht, wird das Lächeln deutlich flacher.
    „Ich weiß, dass Sie falsch ausgesagt haben. Zerwolf hat Sie gar nicht belästigt.“ Keine Zeit für Höflichkeiten, keine Lust auf Höflichkeiten.
    Ihr Lächeln ist verschwunden. „Lesen Sie die Polizeiprotokolle. Da steht etwas anderes.“
    „Sie sind zur Polizei gegangen und haben Zerwolf angeschwärzt, weil Dr. Klein sie darum gebeten hat. Dafür verlangt er kein Honorar in der Erbschaftssache. Sie hätten sich keinen Anwalt leisten können. Er selbst hat es mir erzählt. Was Sie vielleicht nicht wissen: Auch Klein wurde unter Druck gesetzt.“
    Die Schuhgeschäftsbesitzerin sieht mich ohne Freundlichkeit an. „Der hat Frauen belästigt, nur haben sie sich nicht getraut, etwas zu sagen. Ich habe es für sie übernommen, na und? Nur weil er ein berühmter Philosoph ist, kann er auch nicht tun, was er will.“
    Ich schüttle den Kopf. „Es gab bloß eine Frau. Und die war sich schon bald nicht mehr sicher.“
    „Das ist doch Quatsch. Sie haben dieser Gabriele Ploiner sogar ein Foto von ihm gezeigt, sonst hätte sie ihn ja gar nicht erkannt. Er ist ja wirklich in der Nacht herumgerannt. Ich hab ihn selbst gesehen.“
    „Sie haben gezielt auf ihn gewartet, darauf, dass Sie ihn sehen. Und dann sind Sie zur Polizei. Und haben getan, als hätte er sie angegriffen. Sie wussten ja, dass er nicht sprechen würde.“
    „Er war verdächtig.“
    „Er war verdächtig, weil er in der Nacht mit einer Mütze joggen war? So schnell geht das bei uns!“ Ich sehe sie wütend an. „Er

Weitere Kostenlose Bücher