Leben mit Hochsensibilitaet
kreativ und frei zu sein.
Die kreative Art, Dinge zu erfahren, überwindet übliche Grenzen. Doch weil im größeren Ganzen so viele Details bemerkt werden, die eine Rolle spielen, ist es für Hochsensible trotzdem unumgänglich, sich abzugrenzen und Ordnung zu schaffen. Genauso wie Ordnung kann das Setzen von Prioritäten einem Hochsensiblen im Alltagsleben helfen. Weil dir so viel gleichzeitig auffällt, kannst du dich in den Details verlieren. Um zu verhindern, dass die Masse der Details dich überwältigt, musst du lernen, eine Auswahl zu treffen. Andernfalls willst du oft mehr als das, was du bewältigen kannst. Du siehst manchmal zu viele Möglichkeiten. Doch du kannst nicht alles tun und überall gleichzeitig sein. Bei einer einzigen Sache kannst du herausragen. Wenn du aber alles gleichzeitig willst, endest du möglicherweise erschöpft und enttäuscht.
Wenn du dich durchringst, Prioritäten zu setzen, glänzt du in einem oder einigen wenigen Bereichen. Wenn du jedoch deine Aufmerksamkeitauf alles und jeden verteilst, endest du meist ausgemergelt und desillusioniert.
Die meisten Hochsensiblen sind nicht automatisch ordentlich und gradlinig. Das sind Eigenschaften, die eher zum realistischen Menschentyp gehören. Trotzdem geht es den Hochsensiblen bei Ordnung und Übersicht viel besser. Es bringt ihnen die bitter nötige Ruhe. Schon oft haben mir Hochsensible berichtet, wie viel Mühe sie investieren, um ihr Leben zu ordnen.
Karin schreibt mir: „Wenn ich ein Buch auf dem Sofa lesen will, bin ich manchmal zehn Minuten beschäftigt, um erst mal die Störungen in meiner Umgebung zu beseitigen und passende Umgebungsfaktoren zu schaffen. Das Licht darf weder zu hell sein, noch zu dunkel, so dass ich dann nichts mehr sehe. Der Fernseher muss abgeschaltet sein und das Telefon darf nicht unerwartet klingeln. Zudem will ich es auch nicht zu kalt oder zu warm haben, weshalb ich ziemlich viel Zeit brauche, um mich selbst in die richtige Anzahl von Decken einzuhüllen. Enge Kleidung stört mich auch, deshalb muss ich einige Reißverschlüsse und Knöpfe öffnen. Ich will auch gerne zwischendurch etwas knabbern und trinken, also stehe ich wieder auf, um mir entsprechend etwas vorzubereiten. Das muss dann auf dem richtigen Abstand stehen, damit ich danach greifen kann, ohne mich verrenken zu müssen. Durch all das werde ich manchmal müde von mir selbst. Zehn Minuten bin ich beschäftigt und habe noch kein Wort gelesen. Ich fühle mich wie eine Katze oder ein Hund, die hundert Mal um ihr Schlafkörbchen laufen, bevor sie sich endlich hineinlegen.“ Marian von den Beuken schreibt in
Hochsensibilität als Herausforderung
: „In meinem Kopf Ordnung zu schaffen ist sehr wichtig. Wenn ich zurück aus dem Urlaub komme, denke ich immer: ‚Warum kann das Leben eigentlich nicht immer so einfach sein?‘ Ich liebe das Zelten sehr. Einer der Hauptanziehungspunkte für mich ist, dass ein Zelt wie ein kleines Häuschen ist, in dem man nur das Nötigste hat. Und alles, was man zu zweit für ein bis vier Wochen benötigt, passt ins Auto. Und dort bringen wir jeden Tag aufs Neue Ordnung hinein.“ 23
Ordnen ist auch eine Methode, Dinge zu verarbeiten. Indem man sich künstlerisch und kreativ betätigt und musiziert, malt oder schreibt, kann man den verlorenen Kontakt zu sich selbst, zu seinem inneren Kind wiederherstellen. Kreativität kann man als Mittel zur Heilung anwenden. Man fühlt sich wieder als Schöpfer seiner selbst. Man setzt in sich den kreativen und spielerischen Fluss, der Freude spendet, in Gang. Durch Kreativität kann man auch schlimmen und schmerzhaften Erfahrungen einen Platz geben, ohne andere einbeziehen zu müssen und eventuell zu verletzen. Man kann zum Beispiel dunkle, Angst einjagende Bilder malen, die die eigene Angst und Wut ausdrücken. So wird Kreativität zu einem Hilfsmittel, um eigene Erfahrungen zu ordnen und mögliche Traumata zu verarbeiten.
In der Anthroposophie wird seit langem der Wert von Kreativität im Heilungsprozess anerkannt. Innerhalb dieser Richtung gibt es viele Kenntnisse über die spezifische Wirkung bestimmter Kunsttherapien. Anthroposophen betrachten die Kraft schöpferischer Tätigkeiten als eine Methode, um in sich selbst und in der Welt die Ganzheit wiederherzustellen: „Jeder Mensch kann in sich selbst sein höheres Wesen entdecken, das als Künstler mit an der Schaffung einer neuen Welt wirkt. So kann ein Mensch in Zeiten von Krankheit oder Krise dazu gelangen, den
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