Leben mit Hochsensibilitaet
mit dem Gefühl der Angst. Dieses assoziative Denken findet auf dem Niveau des Herzens und des Körpers statt. Ein talentierter Sportler kann damit einen Weltrekord aufstellen und ein Pianist kann ein meisterhaftes Konzert geben. Durch dieses Denken bekommen Erfinder neue Ideen und werden Lehrer von ihren Schülern geliebt. Technisch ausgedrückt ist es so, dass sich durch assoziatives Denken neuronale Netzwerke im Dialog mit der Erfahrung verändern. So kann dieses Denken die idealen oder für die Situation optimalen Antworten finden. Das sind häufig Antworten, die wir als kreativ bezeichnen, weil sie neu und unerwartet sind. Sie entstehen eher durch Bilder und Gefühle als durch Logik und Ratio. Während serielle Prozesse eine Sprache haben, die manipuliert und verändert werden kann, sind assoziative oder parallele Prozesse „sprachlos“.
Ich finde das ein schönes Wort: „sprachlos“. Man kann vor Bewunderung sprachlos sein. Ganz assoziativ fällt mir jetzt ein, dass Kreativität durch Bewunderung und die Fähigkeit, von einer Sache sprachlos fasziniert zu sein, entsteht. Es ist das Vermögen, jenseitsaltbekannter Vorschriften auf Entdeckungsreise zu gehen. Es bedeutet, einen Brunnen an einem Ort zu graben, an dem noch niemand auf die Idee kam, zu graben.
Hochsensible sind oft originelle Geister, weil sie ein starkes Bedürfnis nach assoziativem Denken haben. Das kommt daher, dass ihr Hirn mehr und tiefer bemerkt und verarbeitet. Sie neigen zur Introspektion und Forschung und tasten gern die Grenzen des Erkennbaren ab. Die meisten Hochsensiblen sind eher phantasiereich, als dass sie gut im Faktenwissen sind. Kreativität ist für viele Hochsensible eine logische Lebensbedingung. Unter Wissenschaftlern und Künstlern befinden sich verhältnismäßig viele Hochsensible.
Für eine Dokumentation über Erfinder interviewte ich vor einigen Jahren Männer und Frauen der Forschungsabteilung von Philips. Ich interessierte mich dabei für die Art, wie sie auf gute Ideen kamen. Bei den verschiedenen Gesprächen hörte ich unterschiedliche Erklärungen, die jedoch auf denselben Grundgedanken zurückgeführt werden konnten. Obwohl diese Menschen auch ausgezeichnet seriell denken konnten, war es vor allem ihr assoziatives Denken, das sie auf die richtigen Ideen und Lösungen brachte. Was mich faszinierte, war ihr kindlicher Enthusiasmus und die Emotionalität, mit der sie über ihr Fachgebiet redeten. Vor mir saßen intellektuell begabte Menschen, die intensiv die Herausforderungen genossen, vor die sie tagtäglich gestellt wurden. Ihre Arbeit schien aus Spielen und Genießen zu bestehen. Darauf konnte man ganz neidisch werden. Obwohl mir damals der Begriff Hochsensibilität noch unbekannt war, sprachen diese Erfinder und Untersucher über eine Reihe von Eigenschaften, die ich heute unter dem Titel „Hochsensibilität“ einordnen würde.
Kreative Intelligenz beinhaltet auch, dass man durch Wiederholung gelangweilt wird. Bei einem freimütigen Gespräch sagte mir die hochsensible Anke (aus Kapitel 2 ): „Der rote Faden in meinem Leben ist, dass ich Routine verabscheue. Ich habe ein starkes Bedürfnis nach Abwechslung und neuen Herausforderungen. Wenn nicht regelmäßig etwas Neues passiert, stumpfe ich ab. Das istmanchmal schwierig. Ich habe schon an vielen kreativen Kursen teilgenommen. Immer mit viel Enthusiasmus, aber nach einiger Zeit brauchte ich doch stets wieder eine neue Herausforderung.“
Nicht jeder Hochsensible sucht ständig neue Herausforderungen. Es ist sogar so, dass ein großer Prozentsatz der Hochsensiblen eher zurückhaltend ist. Dies kann in ihrer Persönlichkeit liegen, ist aber häufig auch eine Frage von Erfahrung: Enttäuschungen und Desillusionen fördern eine gewisse Furcht vor neuen Dingen. Vielleicht erkennst du dich in den Worten von Anke oder vielleicht gehörst du zu denen, die lieber das Bekannte beibehalten. Es kann auch sein, dass du bestimmte Aspekte deines Lebens standardisiert hast, zum Beispiel Freundschaften und Kontakte oder deine Tageseinteilung (wann du aufstehst, zur Arbeit gehst, wieder nach Hause kommst und wie du dich abends vorbereitest, um ins Bett zu gehen), um Freiraum zu schaffen, damit du auf anderen Gebieten frei und assoziativ sein kannst. Mein Vater, auch hochsensibel, verrichtet zum Beispiel viele Dinge nach einem festen Muster. Die Woche sieht für ihn fast immer gleich aus. Dies gibt ihm in seinem Beruf die Möglichkeit, als Forscher und Erfinder sehr
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