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Leben, um davon zu erzählen

Leben, um davon zu erzählen

Titel: Leben, um davon zu erzählen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel García Márquez
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werde, dann sei es rechtmäßiges Geld. Ich litt unter der sorgenvollen Komplizenschaft meiner Mutter, die nicht wollte, dass mein Vater merkte, wie ich auf die schiefe Bahn geriet. Sie hatte allen Grund, denn es war allzu auffällig, dass ich manchmal einfach bis zum Mittagessen schlief, die Stimme eines heiseren Hahns hatte und so zerstreut war, dass ich einmal zwei Fragen meines Vaters überhörte, worauf er mit seiner härtesten Diagnose zuschlug:
    »Du hast es an der Leber.«
    Trotz allem gelang es mir, in Gesellschaft den Schein zu wahren. Ich ließ mich gut gekleidet und noch besser erzogen auf den Bällen und den gelegentlichen Mittagessen sehen, die von den Familien der Plaza Mayor ausgerichtet wurden, deren Häuser das ganze Jahr über geschlossen waren, sich aber öffneten, wenn die Schüler und Studenten zu Weihnachten heimkamen.
    Diesmal war es das Jahr von Cayetano Gentile, der seine Ferien mit drei prächtigen Bällen feierte. Für mich waren es drei Glückstage, weil ich auf allen dreien immer mit der gleichen Partnerin tanzte. Ich forderte sie am ersten Abend auf, ohne mir die Mühe zu machen, danach zu fragen, wer sie war, wessen Tochter und woher sie kam. Sie erschien mir so geheimnisvoll, dass ich ihr beim zweiten Tanz allen Ernstes vorschlug, mich zu heiraten, und ihre Antwort war noch rätselhafter:
    »Mein Papa sagt, der Prinz ist noch nicht geboren, der mich einmal heiraten wird.«
    Tage später sah ich, wie sie unter der wilden Hitze um zwölf Uhr mittags auf der kleinen Promenade die Plaza in einem leuchtenden Organdykleid überquerte, ein Mädchen und einen Jungen von etwa sechs oder sieben Jahren an jeder Hand. »Das sind meine Kinder«, sagte sie lachend, ohne dass ich sie gefragt hätte. Und sie sagte es so hintersinnig, dass ich den Verdacht schöpfte, mein Heiratsantrag sei nicht vom Winde verweht worden.
    Schon als Neugeborener hatte ich in Aracataca gelernt, in einer Hängematte zu schlafen, doch erst in Sucre wurde es mir zur zweiten Natur. Es gibt nichts Besseres, um Siesta zu halten, um die Stunde der Sterne zu erleben, um gemächlich zu denken und ohne Vorurteile zu lieben. Am Tag meiner Rückkehr von jener ausschweifenden Woche befestigte ich die Hängematte zwischen zwei Bäumen im Patio, wie es mein Vater früher gemacht hatte, und schlief mit ruhigem Gewissen ein. Aber meine Mutter, die immer von der Angst gequält wurde, ihre Kinder könnten im Schlaf sterben, weckte mich am späten Nachmittag auf, weil sie wissen musste, ob ich noch ebte. Dann legte sie sich neben mich und ging ohne Präliminarien das Problem an, das ihr das Leben schwer machte:
    »Dein Papa und ich möchten gerne wissen, was mit dir los ist.«
    Die Bemerkung traf mich. Ich wusste schon seit einiger Zeit, dass mein Vater und meine Mutter sich gemeinsam über die Veränderungen in meinem Verhalten Sorgen machten und dass sie sich banale Erklärungen ausdachte, um ihn zu beruhigen. Im Haus geschah nichts, was meine Mutter nicht wusste, und ihre Wutanfälle waren legendär. Doch ich brachte das Fass zum Überlaufen, als ich mitten in der Woche am helllichten Tage nach Hause kam und verdächtig nach Penner aussah. Ich wäre der Frage meiner Mutter natürlich am liebsten aus dem Weg gegangen oder hätte sie bis zu einer günstigeren Gelegenheit aufgeschoben, aber sie wusste es besser: Eine so ernste Angelegenheit erforderte eine sofortige Antwort.
    Alle ihre Vorwürfe waren berechtigt: Ich verschwand, wenn es dunkel wurde, gekleidet wie für eine Hochzeit, kam nachts nicht heim, lag aber fast den ganzen nächsten Tag über schläfrig in der Hängematte. Ich las nicht mehr. Und wagte es, zum ersten Mal überhaupt, völlig benebelt nach Hause zu kommen. »Deine Geschwister schaust du nicht einmal an, du bringst ihre Namen und ihr Alter durcheinander, und neulich hast du einen Enkel von Clemencia Morales geküsst und geglaubt, es sei einer deiner Brüder«, sagte meine Mutter. Doch ihr wurde gleich bewusst, dass sie übertrieben hatte, und sie kompensierte das mit der schlichten Wahrheit:
    »Kurzum, du bist ein Fremder in diesem Haus geworden.«
    »Das stimmt alles«, meinte ich, »doch dafür gibt es einen einfachen Grund: Mir steht alles bis hier.«
    »Wir alle?«
    Ich hätte das bestätigen können, aber es wäre nicht gerecht gewesen.
    »Alles«, sagte ich.
    Und dann erzählte ich ihr von meiner Situation am Liceo. Die Eltern schätzten mich nach meinen Noten ein, Jahr für Jahr brüsteten sie sich mit den

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