Leben, um davon zu erzählen
den Monolog in der nächsten Nummer der Zeitschrift Mito.
Bei der Abschiedsfeier am Vorabend der Reise im Haus von Guillermo Cano ging es so hoch her, dass, als ich schließlich am Flughafen ankam, mein Flugzeug nach Cartagena, wo ich mich von der Familie verabschieden und übernachten wollte, schon weg war. Zum Glück bekam ich mittags noch eine Maschine. Es war ein guter Entschluss, dort vorbeizuschauen, denn die Stimmung zu Hause hatte sich seit dem letzten Besuch entspannt, und meine Eltern und Geschwister fühlten sich in der Lage, auch ohne das Ruderboot zu überleben, das ich in Europa dringender brauchen würde.
Am nächsten Tag fuhr ich sehr früh morgens mit dem Bus nach Barranquilla, um dort um zwei Uhr nachmittags ins Flugzeug nach Paris zu steigen. Am Busbahnhof von Cartagena traf ich Lácides, den unvergesslichen Portier des Rascacielo, den ich seit damals nicht mehr gesehen hatte. Er schloss mich mit echter Herzlichkeit in die Arme, hatte Tränen in den Augen und wusste nicht, was er sagen und wie er mit mir umgehen sollte. Nachdem wir etwas hastig ein paar Worte gewechselt hatten - sein Bus war gerade angekommen, und der meine fuhr ab -, sagte er mit einer Verehrung, die mich ins Herz traf:
»Ich kann einfach nicht verstehen, Don Gabriel, warum Sie mir nie gesagt haben, wer Sie sind.«
»Ach Lácides, mein Lieber«, antwortete ich, noch kummervoller als er, »ich konnte es Ihnen nicht sagen, denn selbst ich weiß bis heute nicht, wer ich bin.«
Stunden später, als ich im Taxi zum Flughafen saß, unter dem undankbaren Himmel, der durchsichtiger ist als jeder andere auf der Welt, fiel mir auf, dass wir durch die Avenida Veinte de Julio fuhren. Aus einem Reflex heraus, der schon seit fünf Jahren zu meinem Leben gehörte, schaute ich zu dem Haus von Mercedes Barcha. Und da war sie, eine sitzende Statue vor dem Eingang, anmutig und fern und ganz nach der Mode des Jahres in ein grünes Kleid mit goldenen Spitzen gekleidet, das Haar zu Schwalbenschwingen geschnitten und mit der gespannten Ruhe eines Menschen, der auf jemanden wartet, der nicht kommen wird.
Ich konnte mich nicht des Schauders erwehren, dass ich sie an einem Donnerstag im Juli zu so früher Stunde für immer verlor, und dachte einen Augenblick daran, das Taxi anhalten zu lassen, um mich von ihr zu verabschieden, wollte schließlich nicht ein so beharrlich Ungewisses Schicksal wie das meine erneut herausfordern.
Auf dem Flug peinigte mich dann die Reue. Damals herrschte noch die gute Sitte, die Rückenlehne des Vordersitzes mit dem auszustatten, was man nach guter alter Art Schreibmappe nannte. Goldumrandete Billetts mit einem Umschlag aus dem gleichen Leinenpapier, rosa, cremefarben oder blau, manchmal sogar parfümiert. Bei meinen wenigen vorherigen Flugreisen hatte ich Abschiedsverse darauf geschrieben, sie dann zu Papierschwalben gefaltet, und beim Verlassen der Maschine hatte ich sie fliegen lassen. Ich wählte eine himmelblaue Karte und schrieb meinen ersten förmlichen Brief an Mercedes, die um sieben Uhr morgens am Eingang ihres Hauses saß, im grünen Kleid einer herrenlosen Braut und mit dem Haar einer unschlüssigen Schwalbe, ohne dass ich auch nur geahnt hätte, für wen sie sich bei Tagesanbruch so gekleidet hatte. Ich hatte ihr bereits andere spielerische Briefchen geschickt, die ich auf gut Glück schrieb, aber stets nur mündlich eine ausweichende Antwort erhalten, wenn wir uns zufällig einmal trafen. Diesmal sollten es bloß fünf Zeilen sein, um sie von meiner Reise zu informieren. Am Ende fügte ich jedoch ein Postskriptum an, das mich beim Unterschreiben wie ein Blitz am hellichten Mittag blendete: »Wenn ich in einem Monat keine Antwort auf diesen Brief erhalten habe, bleibe ich für immer in Europa.« Ich ließ mir kaum Zeit, noch einmal darüber nachzudenken, bevor ich den Brief um zwei Uhr früh in den Briefkasten des trostlosen Flughafens von Montego Bay warf. Es war schon Freitag. Am Donnerstag der folgenden Woche, als ich nach einem sinnlosen Tag der internationalen Uneinigkeit in mein Genfer Hotel zurückkehrte, hatte ich eine Antwort.
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