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Leben, um davon zu erzählen

Leben, um davon zu erzählen

Titel: Leben, um davon zu erzählen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel García Márquez
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Armen herumtrug, in den Schlaf wiegte. Ich fragte sie, woher die Musik käme, und sie antwortete mir nach ihrer Art:
    »Aus den Häusern der Schlampen.«
    Sie gab mir ungebeten fünf Pesos, als sie sah, dass ich mich für das Fest umzog. Bevor ich das Haus verließ, wies sie mich, vorausschauend wie immer, darauf hin, dass sie die Tür zum Patio unverriegelt lasse, damit ich auch spät zurückkommen konnte, ohne meinen Vater zu wecken. Ich kam nicht bis zu den Häusern der Schlampen, weil in der Schreinerei von Meister Valdes eine Musikprobe stattfand. Luis Enrique hatte sich gleich nach seiner Heimkehr der Gruppe um Valdes angeschlossen.
    In jenem Jahr stieß ich dann zu ihnen, spielte Tiple und sang mit den sechs anonymen Meistern bis ins Morgengrauen. Ich hatte meinen Bruder immer für einen guten Gitarristen gehalten, doch schon in der ersten Nacht erfuhr ich, dass selbst seine grimmigsten Rivalen ihn für einen Virtuosen hielten. Es gab keine bessere Gruppe, und sie waren sich ihrer selbst so sicher, dass wenn jemand bei ihnen ein Versöhnungs- oder Sühne-Ständchen bestellte, Meister Valdes ihn schon im Voraus beruhigte:
    »Keine Sorge, wir kriegen sie so weit, dass sie ins Kissen beißt.«
    Ohne ihn wären die Ferien nicht dasselbe gewesen. Er verbreitete Festlaune, wohin er auch kam, und er, Luis Enrique und Filadelfo Velilla waren Profis in Liebesdingen. Damals entdeckte ich die Loyalität des Alkohols und lernte, richtig herum zu leben, schlief tagsüber und sang nachts. Wie meine Mutter sagte: Ich ließ die Sau raus.
    Über mich wurde alles Mögliche geredet, und es gab das Gerücht, meine Post ginge nicht an die Adresse meiner Eltern, sondern in die Häuser der Schlampen. Ich wurde zum pünktlichsten Gast bei ihren legendären Sancocho-Töpfen mit Pumagalle und bei den Leguangerichten, die Schwung für drei ganze Nächte gaben. Ich las nicht mehr und kam nicht zu den Mahlzeiten nach Hause. Das entsprach der von meiner Mutter oft geäußerten Ansicht, dass ich auf meine Weise das machte, wozu ich Lust hatte, der schlechte Ruf aber an dem armen Luis Enrique kleben blieb. Obwohl er den Ausspruch meiner Mutter nicht kannte, meinte mein Bruder in jenen Tagen: »Jetzt fehlt nur noch, dass es heißt, ich verderbe dich, und man mich wieder in die Besserungsanstalt schickt.«
    Um Weihnachten herum beschloss ich, vor dem alljährlichen Wettstreit der Kutschen zu fliehen, und setzte mich mit zwei Freunden und Komplizen in den Nachbarort Majagual ab. Zu Hause kündigte ich an, ich käme in drei Tagen wieder, blieb aber dann zehn Tage weg. Schuld daran war Maria Alejandrina Cervantes, eine unglaubliche Frau, die ich am ersten Abend kennen lernte und mit der ich auf dem rauschendsten Fest meines Lebens den Kopf verlor. Bis sie am Sonntagmorgen nicht mehr in meinem Bett lag und für immer verschwunden war. Jahre später rettete ich sie aus meinen sehnsüchtigen Erinnerungen, nicht so sehr wegen ihrer Gaben als wegen ihres klangvollen Namens, und ich ließ sie wieder auferstehen, um eine andere in einem meiner Romane zu schützen, als Herrin und Besitzerin eines Freudenhauses, das es nie gegeben hat.
    Als ich nach Hause zurückkehrte, traf ich in der Küche meine Mutter an, die dort um fünf Uhr morgens Kaffee kochte. Sie wisperte mir komplizenhaft zu, ich solle bei ihr bleiben, weil mein Vater gerade aufgewacht sei und vorhabe, mir zu beweisen, dass ich nicht einmal in den Ferien so frei sei, wie ich zu sein glaubte. Sie schenkte mir eine große Tasse Hochlandkaffee ein, obwohl sie wusste, dass er mir nicht schmeckte, und ich setzte mich damit neben den Herd. Mein Vater kam im Pyjama herein, noch in schläfriger Laune, er war überrascht, mich dort mit der dampfenden Tasse zu sehen, stellte mir aber sofort eine scharfe Frage:
    »Hast du nicht gesagt, dass du keinen Kaffee trinkst?«
    Nicht wissend, was ich antworten sollte, sagte ich das Erste, was mir in den Sinn kam:
    »Zu dieser Uhrzeit habe ich immer Durst.«
    »Wie alle Säufer«, erwiderte er.
    Er sah mich nicht mehr an, und es wurde auch nicht mehr von der Angelegenheit geredet. Doch meine Mutter teilte mir mit, dass mein Vater, seit jenem Tag deprimiert, mich inzwischen für einen hoffnungslosen Fall hielte, was er mich allerdings nie wissen ließ.
    Meine Ausgaben hatten so zugenommen, dass ich meiner Mutter etwas aus ihrer Sparbüchse stehlen musste. Luis Enrique meinte, wenn das Geld, das man den Eltern stehle, fürs Kino und nicht fürs Bordell verwendet

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