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Leben, um davon zu erzählen

Leben, um davon zu erzählen

Titel: Leben, um davon zu erzählen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel García Márquez
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uns.
    Wir tanzten die Serie des Mambo número 5 von Dámaso Pérez Prado. Mit dem wenigen Atem, der mir noch blieb, sprang ich auf das Podium, bemächtigte mich der Rumbakugeln der Musikgruppe und sang über eine Stunde lang ohne Unterbrechung Boleros von Daniel Santos, Agustín Lara und Bienvenido Granda. Während ich sang, fühlte ich mich nach und nach wie von einem Wind der Befreiung erfasst und erlöst. Ich habe nie erfahren, ob die drei stolz auf mich waren oder sich für mich schämten, aber als ich an den Tisch zurückkam, empfingen sie mich wie einen der ihren.
    Álvaro war inzwischen bei einem Thema angelangt, das die anderen ihm nie streitig machten: Kino. Ich wurde dabei auf etwas Neues gestoßen, hatte ich doch den Film immer für eine untergeordnete Kunst gehalten, die sich stärker vom Theater als vom Roman nährte. Álvaro hingegen sah den Film so wie ich die Musik: als eine Kunst, die allen anderen Künsten nützte.
    Kurz vor Tagesanbruch dann lenkte Álvaro, halb im Schlaf und halb im Rausch, das mit literarischen Neuerscheinungen und den Literaturbeilagen der New York Times voll gestopfte Auto wie ein professioneller Taxifahrer durch die Straßen. Wir brachten Germán und Alfonso heim, und dann bestand Álvaro darauf, mich mit zu sich nach Hause zu nehmen; ich sollte seine Bibliothek sehen, die drei Wände seines Schlafzimmers bis zur Decke ausfüllte. Er wies mit einer schwungvollen Armbewegung auf die vielen Bücher und sagte zu mir:
    »Das hier sind die einzigen Schriftsteller der Welt, die schreiben können.«
    Ich befand mich in einem Zustand der Erregung, der mich vergessen ließ, was gestern Hunger und Müdigkeit gewesen waren. Der Alkohol wirkte noch, und ich fühlte mich wie in einem Zustand der Gnade. Alvaro zeigte mir seine Lieblingsbücher in Spanisch und Englisch und sprach über jedes einzelne mit rostiger Stimme, zerwühltem Haar und Augen, die noch irrer waren als sonst. Er sprach über Azorin und Saroyan - zwei Autoren, für die er eine Schwäche hatte - und von anderen, deren öffentliches und privates Leben er bis hin zur Unterhose kannte. Ich hörte zum ersten Mal den Namen Virginia Woolf, die er die alte Woolf nannte, so wie er Faulkner als den alten Faulkner bezeichnete. Mein Staunen regte ihn bis zum Delirium auf. Er packte den Stapel der Bücher, die er mir als seine Lieblingswerke gezeigt hatte, und übergab ihn mir.
    »Seien Sie nicht albern«, sagte er zu mir, »nehmen Sie doch alle mit, und wenn Sie die Bücher gelesen haben, werden wir sie wo auch immer wieder zusammensuchen.«
    Für mich war es ein unvorstellbares Vermögen, das ich nicht in Gefahr bringen wollte, solange ich nicht mal ein erbärmliches Zimmer hatte, wo ich die Bücher aufbewahren konnte. Schließlich begnügte er sich damit, mir die spanische Ausgabe von Virginia Woolfs Mrs. Dalloway zu schenken, mit der unanfechtbaren Prognose, ich würde das Buch auswendig lernen.
    Es wurde allmählich hell, und ich wollte mit dem ersten Bus nach Cartagena zurückfahren, aber Alvaro bestand darauf, dass ich in dem zweiten Bett in seinem Zimmer schlief.
    »Ach, Scheiße noch mal!«, sagte er mit letzter Kraft. »Bleiben Sie einfach hier, und morgen finden wir eine tolle Anstellung für Sie.«
    Ich legte mich angekleidet aufs Bett, und erst da spürte ich das enorme Gewicht des Lebens in meinem Körper. Auch Alvaro legte sich hin, und wir schliefen bis elf Uhr vormittags, als seine Mutter, die angebetete und gefürchtete Sara Samudio, mit der Faust an die Tür klopfte, weil sie glaubte, der einzige Sohn ihres Lebens sei tot.
    »Achten Sie nicht auf sie, Großmeister«, sagte Álvaro aus der Tiefe des Schlafs zu mir herüber. »Sie sagt jeden Morgen dasselbe, und das Schlimme ist, dass es eines Tages wahr sein wird.«
    Ich kehrte nach Cartagena zurück, als hätte ich die Welt entdeckt. Zum Nachtisch im Haus der Franco Muneras gab es jetzt nicht mehr Gedichte des Siglo de Oro oder die Zwanzig Liebesgedichte von Neruda, sondern Abschnitte aus Mrs. Dal-loway über die Delirien des erschütternden Helden Septimus Warren Smith. Ich wurde ein anderer, unruhig und schwierig, und das ging so weit, dass Héctor und Maestro Zabala meinten, ich imitiere bewusst Álvaro Cepeda. Gustavo Ibarra mit seiner mitfühlenden Einsicht in das karibische Herz amüsierte sich über meinen Bericht von der Nacht in Barranquilla, während er mir jedes Mal löffelweise die Vernunft der griechischen Dichter einflößte, mit einer einzigen und nie

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