Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy
während mein Onkel Toby in seiner gestickten Uniform und Knotenperrücke mit meinem Vater folgte, in einer tiefgehenden Straße und in ebenso tiefen Abhandlungen über die Vorzüge des Studiums und der Kriegskunst, je nach dem der Eine oder der Andere die Unterhaltung führte.
Die Schilderung dieser Reise erschien mir aber beim Wiederdurchlesen soweit erhaben über den Stil und die Art jeder anderen Schilderung in diesem Buch, daß sie nicht darin bleiben konnte, wenn nicht jenes notwendige Gleichgewicht (im Guten oder Schlechten) zwischen den einzelnen Kapiteln gestört werden sollte, von dem das richtige Verhältniß und die Harmonie des ganzen Werkes abhängt. Allerdings habe ich das Bücherschreiben erst angefangen und verstehe somit noch wenig davon; – aber nach meiner Ansicht ist es mit dem Bücherschreiben wie wenn man ein Lied summt; – wenn Sie nur im Ton bleiben, Madame, gleichviel ob Sie einen hohen oder tiefen anschlagen.
Dies ist auch der Grund, wenn der geneigte Leser erlaubt, weshalb oft auch die gewöhnlichsten und flachsten Werke recht gut abgehen (wie Yorick eines Abends zu meinem Onkel Toby sagte) – durch die Ausfallspforte nämlich. – Mein Onkel Toby spitzte die Ohren bei dem Wort »Ausfallspforte«; aber er konnte sich keinen Vers darauf machen.
Ich muß nächsten Sonntag bei Hofe predigen, sagte Homenas; – lesen Sie doch meine Composition durch: – ich summte die Noten des
Dr.
Homenas also vor mich hin; – die Modulation war recht brav. – Es geht, Homenas, wenn es in diesem Tempo bleibt; – ich summte weiter, – ich dachte, die Melodie wäre nicht so übel; und hätte wahrhaftig heute noch nicht eingesehen, wie ordinär, wie flach, wie geistlos und nüchtern sie war, wenn ich nicht plötzlich in der Mitte auf eine so schöne, reiche, himmlische Weise gestoßen wäre, – daß sie meine Seele ganz in die andere Welt hinaufriß. Nun hätte ich mich (wie Montaigne in einem ähnlichen Falle klagte) – wenn ich den Abgang sanft oder den Aufgang leicht fand – gewiß täuschen lassen. – Ihre Noten, Homenas, würde ich gesagt haben, sind gute Noten; – nun aber kam ein so jäher Absturz, – ein so vollständiger Abfall und Abriß von dem Uebrigen, daß ich bei der ersten Note, die ich summte, mich in eine andere Welt hinauf gehoben sah, und nun erst entdeckte, wie tief, wie nieder, wie häßlich das Thal war, durch das ich bis dahin gewandert war, so daß ich es nie wieder übers Herz bringen werde, in dasselbe hinabzusteigen.
Ein Zwerg, der einen Maßstab daher schleppt, um seine eigene Größe daran zu messen, – der ist, darauf gebe ich Ihnen mein Wort, in mehr als einer Beziehung ein Zwerg. – Und soviel über das Herausreißen von Kapiteln.
112. Kapitel.
Sehen Sie nur, schneidet er nicht Alles in Fidibus und reicht sie herum, um die Pfeifen damit anzuzünden! – Das ist ja entsetzlich! erwiderte Didius. – Das sollte man nicht ungerügt hingehen lassen, bemerkte
Dr.
Kysarcius: – er stammte von den Kysarcii aus den Niederlanden.
Es will mir scheinen, sprach Didius, indem er sich halb in seinem Stuhle erhob, um eine Flasche und einen großen Krug, die in gerader Linie zwischen ihm und Yorick standen, bei Seite zu schieben, – Sie hätten uns diesen sarkastischen Streich ersparen und einen passenderen Ort dafür finden können, Herr Yorick; – oder hätten Ihre Verachtung dessen was wir eben verhandelt auf eine schicklichere Gelegenheit ersparen können. Wenn die Predigt nicht mehr werth war, als um Pfeifen damit anzuzünden, – so war sie auch nicht gut genug, Herr, um vor so einer gelehrten Körperschaft gehalten zu werden; war sie aber gut genug, um vor einer so gelehrten Körperschaft gehalten zu werden, – so war sie ganz gewiß zu gut, Herr, um nachher die Pfeifen damit anzuzünden.
Jetzt habe ich ihn, sprach Didius zu sich selbst, jedenfalls an einem der zwei Hörner meines Dilemmas aufgespießt, – wir wollen sehen, wie er davon los kommt.
Die Abfassung dieser Predigt für diese Gelegenheit hat mir so unaussprechliche Qualen bereitet, versetzte Yorick, – daß ich Ihnen erklären muß, Didius, ich wollte lieber ein tausendfaches Märtyrerthum erleiden, – und wenn es möglich wäre, mein Pferd mit mir, als daß ich mich noch einmal hinsetzen und so eine Predigt machen wollte; ich wurde von ihr am falschen Fleck entbunden, – sie kam aus dem Kopf statt aus dem Herzen; – und wegen der Pein, die sie mir beim Schreiben und beim Predigen machte,
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