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Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy

Titel: Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurence Sterne
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habe ich mich auf diese Art an ihr gerächt. – Wenn man nur predigt, um den Umfang seines Wissens, oder die Schärfe seines Verstandes zu zeigen, – um in den Augen des großen Haufens mit der bettelhaften Aufzählung einiger gelehrten Sätze zu prahlen, die mit ein paar gleißenden Worten ausgeputzt sind, welche wenig Licht und noch weniger Wärme bieten, – so macht man einen schlechten Gebrauch von der armen halben Stunde, die uns allwöchentlich gegeben ist: – das heißt dann nicht das Evangelium, sondern uns selbst predigen. – Ich würde viel lieber fünf Worte direct nach dem Herzen abschießen, setzte Yorick hinzu.
    Als Yorick das Wort »abschießen« aussprach, erhob sich mein Onkel Toby. um etwas über Geschosse zu sagen, – als ein einziges Wort von der entgegengesetzten Seite des Tisches die Aufmerksamkeit Aller dahin zog; – ein Wort, das man wol zuletzt von allen im Wörterbuch an diesem Orte erwarten durfte; – ein Wort, das ich mich schäme niederzuschreiben, – das jedoch geschrieben – und gelesen werden muß; – ein gesetzwidriges – unkanonisches Wort – Sie mögen 10,000 Mal 10,000 rathen, – Ihre Phantasie anstrengen und zermartern wie Sie wollen, Sie bringen es nicht heraus. – Aber im nächsten Kapitel sollen Sie es hören.

113. Kapitel.
    Herrgottsakerment! – – – – – – – – – – – – – H—t! rief Phutatorius, halb vor sich hin, – aber doch laut genug um gehört zu werden – und was merkwürdig erschien, er sprach das mit einem Blick und in einem Ton, die die Mitte hielten zwischen Bestürzung und körperlichem Schmerz.
    Einige, die sehr feine Ohren hatten und den Ausdruck und die Mischung der beiden Töne so deutlich zu unterscheiden vermochten, wie eine Tertie oder Quinte oder irgend einen anderen Accord, – waren höchst verblüfft, ja verwirrt hierüber. – Die Zusammenstimmung war an sich gut; – aber sie war ganz außerhalb dem Tonschlüssel, und ließ sich durchaus nicht auf den Gegenstand anwenden, von dem eben gehandelt wurde: – so daß sie trotz all ihrem Wissen und Können nicht wußten, was sie daraus machen sollten.
    Andere, die nicht musikalisch waren, und ihr Ohr lediglich dem klaren Inhalt des Wortes liehen, glaubten, Phutatorius, der etwas cholerischer Natur war, sei im Begriff, Didius die Peitsche aus der Hand zu nehmen, um Yorick etwas Weniges durchzuhauen; – und das gräuliche Wort H—t sei nur die Einleitung zu einer Rede, die, wie sie nach diesem Muster abnahmen, eine ziemlich brutale Behandlung jenes voraussehen ließ; so daß es meinem Onkel Toby in seiner Gutmüthigkeit vor dem bange war, was Yorick erwartete. Aber als Phutatorius gleich wieder stille war und keine Absicht kund gab fortzufahren, – begann eine dritte Partei zu vermuthen, es sei nur eben ein unwillkürlicher Ausbruch gewesen, der ganz zufällig die Form eines gemeinen Fluchs annahm – ohne daß es so gemeint war.
    Doch gab es auch Einige, besonders Einen oder Zwei, die ihm zunächst saßen, die ihn im Gegentheil als einen wirklichen und inhaltsschweren Fluch ansahen, der ausdrücklich auf Yorick gemünzt war, den Phutatorius, wie man allgemein wußte, nicht leiden konnte; – welch' besagter Fluch, wie mein Vater philosophirte, damals gerade in den oberen Regionen von Phutatorius' Schlund wühlte und rauchte. Es war daher ganz natürlich und entsprach vollkommen dem Lauf der Dinge, daß er durch die plötzliche Einströmung von Blut in die rechte Herzkammer des Phutatorius herausgedrückt wurde, als dieser über jene seltsame Predigttheorie außer sich vor Erstaunen gerieth.
    Wie fein raisonniren wir oft über Dinge, die wir doch ganz falsch aufgefaßt haben!
    Trotz all diesen verschiedenen Meinungen, welche sich über das von Phutatorius ausgestoßene Wort bildeten, gab es doch keine Seele, welche nicht für ausgemacht angenommen hätte und davon als Hauptsatz ausging, daß Phutatorius von dem Gegenstand des Streites, der sich zwischen Didius und Yorick entsponnen, lebhaft in Anspruch genommen und da er zuerst den Einen und dann den Anderen mit der Miene eines Mannes ansah, der dem was vorgetragen wird eifrig lauscht, – so konnte man wol auch auf keinen anderen Gedanken kommen. In Wahrheit aber vernahm Phutatorius nicht ein Wort, nicht eine Silbe von dem, was um ihn vorging; – all sein Denken und Sinnen war vielmehr von einem Vorfall in Anspruch genommen, der in diesem Augenblick innerhalb der Räume seiner Pluderhosen und zwar in demjenigen

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