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Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy

Titel: Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurence Sterne
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Schlußfolgerung einer so seltsamen Einleitung zu hören.
    Es ist nicht nur unter den besten Juristen und Civilrechtslehrern dieses Landes, Kapitain Shandy, stets eine Frage gewesen, ob die Mutter mit ihrem Kinde blutsverwandt sei, fuhr Kysarcius fort; – sondern dieselbe ist auch nach vielen leidenschaftlosen Erörterungen und Hin- und Herwerfen der Beweise von beiden Seiten – schließlich verneinend beantwortet worden; – das heißt dahin: daß die Mutter nicht mit dem Kinde blutsverwandt sei. – Mein Vater drückte meinem Onkel Toby sofort die Hand auf den Mund, wobei er that, als flüstere er ihm etwas ins Ohr; – in Wahrheit hatte er aber Angst vor dem Lillabullero, – und da er ein großes Verlangen trug, mehr über eine so merkwürdige Beweisführung zu hören, bat er meinen Onkel Toby ums Himmels willen, ihn nicht darum zu bringen. – Mein Onkel Toby nickte – griff wieder zu seiner Pfeife und begnügte sich nun innerlich den Lillabullero zu pfeifen, während Kysarcius, Didius und Triptolemus ihr Gespräch folgendermaßen fortsetzten:
    So sehr diese Entscheidung, fuhr Kysarcius fort, dem Strom der allgemeinen Anschauungen hierüber entgegen zu sein scheint, so hat sie doch die Vernunft auf ihrer Seite, und wurde durch jenen berühmten Fall, der unter dem Namen: der Fall des Herzogs von Suffolk allgemein bekannt ist, ganz außer Zweifel gesetzt. – Der Fall ist in Brooke citirt, sagte Triptolemus. – Auch Lord Coke nimmt davon Notiz, setzte Didius hinzu. – Sie finden ihn auch in Swinburn über Testamente, bemerkte Kysarcius.
    Dieser Fall, Herr Shandy, war folgender:
    Unter der Regierung Eduard VI. hatte der Herzog Karl von Suffolk aus der einen Ehe einen Sohn, aus der anderen eine Tochter. In seinem Testament vermachte er sein Vermögen seinem Sohn und starb; nach seinem Tode starb sein Sohn ebenfalls, – aber ohne Testament, ohne Weib und Kind; – dagegen lebten noch seine Mutter und seine Schwester von Vaters Seite (denn sie war aus der ersten Ehe). Die Mutter übernahm die Verwaltung der Güter ihres Sohnes gemäß der 21. Verordnung von Heinrich VIII., worin bestimmt ist, daß, wenn Jemand ohne ein Testament zu hinterlassen, sterbe, die Verwaltung seiner Güter dem nächsten Anverwandten zu übertragen sei.
    Nachdem die Verwaltung so (heimlicherweise) der Mutter zuerkannt war, – begann die Schwester von Vaters Seite einen Prozeß vor dem geistlichen Richter, worin sie anführte, erstens, daß sie selbst die nächste Anverwandte sei, und zweitens, daß die Mutter mit dem Verstorbenen überhaupt nicht verwandt gewesen sei und daß sie dem gemäß den Gerichtshof ersuche, er möchte die Uebergabe der Verwaltung an die Mutter widerrufen und ihr als der nächsten Anverwandten kraft besagter Verordnung übertragen.
    Es wurden nun, da der Fall ein sehr wichtiger war und viel von seinem Ausgang abhing – voraussichtlich auch künftig viele Fälle, wo es sich um große Hinterlassenschaften handelte, nach diesem Vorgang entschieden werden konnten – die Gelehrtesten sowol in den Rechten dieses Landes als im römischen Rechte über die Frage zu Rathe gezogen: ob die Mutter mit ihrem Sohn blutsverwandt sei oder nicht? – Worauf nicht nur weltliche, sondern auch geistliche Richter, – Rechtsanwälte, – Rechtsgelehrte, – Civilrechtslehrer, – Advokaten, geistliche Commissäre, die Richter des Consistoriums und die Prärogativgerichte von Canterbury und York, sowie die Obmänner der Facultäten, alle einstimmig die Ansicht aussprachen: daß die Mutter nicht mit ihrem Kinde verwandt sei. [
Mater non numeratur inter consanguineos. Balt. in ult. C. de Verb. signific.
]
    Und was sagte die Herzogin von Suffolk dazu? fragte mein Onkel Toby.
    Die unerwartete Frage meines Onkels Toby verwirrte Kysarcius mehr als der geschickteste Advokat gekonnt hätte. – Er blieb eine volle Minute still und sah meinem Onkel Toby ins Gesicht, ohne eine Antwort herauszubringen; – und in dieser einzigen Minute verdrängte ihn Triptolemus und riß mit folgenden Worten die Leitung an sich:
    Es ist ein Grundprinzip im Rechtswesen, sprach Triptolemus, daß die Dinge nicht auf-, sondern absteigen; und ohne Zweifel ist dies der Grund, warum, wenn auch das Kind von dem Blut und Samen der Eltern ist, – doch die Eltern nicht von dem Blut und Samen des Kindes sind, insofern die Eltern nicht durch das Kind erzeugt wurden, sondern das Kind durch die Eltern; – denn es steht geschrieben: –
Liberi sunt de sanguine patris et

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