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Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy

Titel: Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurence Sterne
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unsere Gelüste sind ja Krankheiten), ist es nicht besser, lieber gar keinen Hunger mehr zu haben, als zu essen? – gar keinen Durst, als ihn mit Arzneien zu stillen? Ist es nicht besser, von Sorgen und Schmerzen, – von Liebe und Melancholie, – und von den anderen heißen und kalten Anfällen des Lebens befreit zu werden, als wie ein wundgelaufener Wanderer, der müde ins Wirthshaus kommt, seine Reise von Neuem anfangen zu müssen?
    Er sieht an sich nicht so schrecklich aus, Bruder Toby, nur die Seufzer und Krämpfe, die schnaubenden Nasen und das Abwischen der Thränen mit den Bettvorhängen im Zimmer eines Sterbenden geben ihm ein so scheußliches Aussehen. – Streife das ab, und was ist er dann? – Er ist jedenfalls angenehmer in der Schlacht als im Bett, sagte mein Onkel Toby. – Nimm ihm den Sarg, die Leichenfeier, die Trauerkleider – die Federn, Wappenschilder und das andere Schaugepränge – was ist er dann? – Angenehmer in der Schlacht, fuhr mein Vater lächelnd fort, denn er hatte meinen Bruder Bobby total vergessen, – o er ist nirgend schrecklich – denn, bedenke, Bruder Toby, – so lange wir sind, ist kein Tod; – und wenn der Tod da ist, dann sind wir nicht mehr. – Mein Onkel Toby legte seine Pfeife weg, um sich diesen Satz zu überlegen; die Beredtsamkeit meines Vaters war zu hinreißend, um sich halten zu lassen, – sie stürmte dahin, – und riß alle Ideen meines Onkels Toby mit fort.
    Aus diesen Gründen, fuhr mein Vater fort, ist es der Erinnerung werth, wie wenig die Annäherung des Todes große Männer erschüttert hat. – Vespasian starb mit einem Witz über seinen Nachtstuhl; – Galba mit einer Sentenz; – Septimius Severus an einer Depesche; – Tiberius in einer Scene der Vorstellung, – und Cäsar Augustus mit einem Compliment.
    – Hoffentlich war's ein aufrichtiges, – sagte mein Onkel Toby. –
    Es galt seiner Frau, – sagte mein Vater.

122. Kapitel.
    Und schließlich – denn von all den trefflichen Anekdoten, welche die Geschichte hierüber bringt, fuhr mein Vater fort, – krönt diese, wie eine vergoldete Kuppel ein Bauwerk schmückt, das Ganze.
    Sie ist über Cornelius Gallus, den Prätor – du hast sie wohl gelesen, Bruder Toby. – Nein, das hab' ich nicht, versetzte mein Onkel. – Er starb, erzählte mein Vater, als er gerade . . . Wenn es mit seinem Weib war, sagte mein Onkel Toby, – so liegt nichts Anstößiges darin. – Das weiß ich wirklich nicht, versetzte mein Vater.

123. Kapitel.
    Meine Mutter ging gerade ganz leise durch den dunkeln Gang, der zum Wohnzimmer führte, als mein Onkel Toby das Wort »Weib« aussprach. – In diesem Ton liegt schon an sich etwas Schneidendes, das dadurch noch verstärkt wurde, daß Obadiah die Thüre etwas offen gelassen hatte, so daß meine Mutter genug davon zu hören bekam, um sich selbst für den Gegenstand der Unterhaltung zu halten. Sie legte daher den Zeigefinger an die Lippen, hielt den Athem an und neigte den Kopf etwas abwärts, wobei sie den Hals drehte – aber nicht gegen die Thüre, sondern davon ab, so daß ihr Ohr der Thürspalte nahe kam. Nun horchte sie aus allen Kräften; der horchende Sklave mit der Göttin des Schweigens hinter sich hätte keinen schöneren Vorwurf für eine Gemme geboten.
    In dieser Stellung habe ich im Sinne sie fünf Minuten stehen zu lassen, – bis ich die Küchenangelegenheiten (wie Rapin die Kirchenangelegenheiten) ebenso weit gebracht habe.

124. Kapitel.
    In einem gewissen Sinne war unsere Familie allerdings eine ziemlich einfache Maschinerie, da sie nur sehr wenig Räder hatte; doch war so viel gewiß, daß diese Räder durch so viele verschiedene Federn in Bewegung gesetzt wurden, und nach so viel verschiedenen seltsamen Grundsätzen und Trieben auf einander wirkten, – daß diese einfache Maschine alle Ehren und Vorzüge einer sehr complicirten, – und eine Menge so sonderbarer Bewegungen hatte, wie man sie nur in einer holländischen Seidefabrik sieht.
    Darunter gehörte eine, von der ich jetzt reden will und die vielleicht nicht ganz so sonderbar war wie manche andere. Dieselbe bestand darin, daß, welche Bewegung, Besprechung, Anrede, Unterhaltung, Idee oder Verhandlung im Wohnzimmer vor sich gehen mochte, immer zu gleicher Zeit eine ähnliche über den gleichen Gegenstand in der Küche Statt fand.
    Um dies zu ermöglichen wurde, wenn eine außerordentliche Botschaft oder ein Brief im Wohnzimmer abgegeben, – oder ein Gespräch auf so lange

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