Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy

Titel: Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurence Sterne
Vom Netzwerk:
unterbrochen wurde, bis der Diener das Zimmer verlassen hatte, – oder man eine Wolke der Unzufriedenheit auf der Stirne meines Vaters oder meiner Mutter hängen sah; – kurz, wenn man glaubte, daß irgend etwas los sei, das zu erfahren oder zu erlauschen verlohnte; – wurde die Thüre alle Mal nicht fest geschlossen, sondern eine kleine Spalte gelassen – wie dies eben jetzt der Fall ist; – was man unter dem Vorwand der knarrenden Thürangel (und dies war vielleicht einer der vielen Gründe, warum diese nie gemacht wurde) unschwer bewirken konnte. Hierdurch wurde in all jenen Fällen ein Durchgang belassen, nicht gerade so groß wie der der Dardanellen, aber doch weit genug, um diesen Nebenhandel so fortzuführen, daß mein Vater der Mühe überhoben wurde, sein Haus selbst zu regieren. Meine Mutter benutzte in diesem Augenblick die Gelegenheit. Obadiah hatte dasselbe gethan, sobald er den Brief, der die Nachricht vom Tode meines Bruders enthielt, auf den Tisch gelegt hatte, so daß, ehe noch mein Vater seine Bestürzung überwunden und seine Rede begonnen hatte, – Trim sich bereits auf die Beine gemacht hatte, um seine Gefühle über den Gegenstand auszusprechen.
    Ein eifriger Beobachter der Natur würde, wenn er das ganze Vermögen Hiob's besessen hätte – (obschon die sogenannten eifrigen Beobachter selten einen Groschen besitzen) – gewiß gerne die Hälfte darum gegeben haben, wenn er zwei durch Natur und Erziehung einander so entgegengesetzte Redner, wie Corporal Trim und mein Vater waren, an dem gleichen Sarg hätte reden hören können.
    Mein Vater, – ein Mann von großer Belesenheit, – schlagfertigem Gedächtniß, – der an jedem Finger einen Cato, einen Seneca, einen Epictet hatte –
    Und der Corporal, – der nichts in seinem Gedächtnisse hatte – dessen einzige Lectüre in seiner Musterrolle bestand – und der keine größeren Namen als eben die der Musterrolle an den Fingern hatte –
    Der Eine, durch Gleichniß und Anspielung von Periode zu Periode vorschreitend und dabei (wie Männer von Geist und Phantasie thun) die Einbildungskraft seiner Zuhörer durch seine Gemälde und Bilder unterhaltend und vergnügend –
    Der Andere ohne Witz oder Antithese, ohne Pointe oder Abschweifung nach rechts oder links; sondern die Bilder auf der einen, die Gemälde auf der anderen Seite lassend, gerade auf das Herz lossteuernd, wie ihn eben die Natur leitete – O Trim! ich wollte du hättest einen besseren Biographen gefunden! – Ich wollte dein Biograph besäße ein Paar bessere Hosen! – O ihr Kritiker, kann euch denn gar nichts rühren!

125. Kapitel.
    Der junge Herr in London ist gestorben, sagte Obadiah.
    Der erste Gedanke, den Obadiah's Ausruf in Susanna's Kopf hervorrief, war ein schon zwei Mal gewalkter grünseidener Schlafrock meiner Mutter. – Locke dürfte wol ein Kapitel über die Zuvorkommenheiten der Sprache schreiben. – Dann müssen wir Alle trauern, sagte Susanna. – Aber wohl gemerkt, obschon Susanna selbst das Wort »trauern« aussprach, – verfehlte es doch vollständig seine Bedeutung, es vermochte keine grau oder schwarz gefärbte Idee in ihr zu erwecken: – Alles war grün. – Der grünseidene Schlafrock hing noch immer da.
    O das ist der Tod meiner armen Herrin, rief Susanna. – Jetzt ging die ganze Garderobe meiner Mutter vorüber. Welch' ein Reichthum! Da kam ihr rothes Damastkleid, – ihr schwarzgelbes, ihr weiß- und gelbgestreiftes, – ihr braunes Taffetkleid, – ihre geklöppelten Spitzen, ihr Nachtzeug, ihre bequemen Unterröcke. – Nicht ein Fetzen blieb zurück. – Nein, nein! rief Susanna, sie wird nie wieder vom Boden aufsehen!
    Wir hatten eine dicke närrische Spülmagd; – ich glaube, mein Vater hielt sie nur, weil sie so dumm war; – sie hatte das ganze Spätjahr hindurch an der Wassersucht gelitten. – Er ist todt, sprach Obadiah – er ist wahrhaftig todt! – Ich nicht, sagte die alberne Spülmagd.
    Traurige Neuigkeiten, Trim! rief Susanna und wischte sich die Augen, als Trim in die Küche trat; – Master Bobby ist gestorben und »begraben«! – Das Leichenbegängniß war eine Erfindung von Susanna; – wir werden jetzt Alle trauern müssen, sagte Susanna.
    Ich will nicht hoffen, sagte Trim. – Sie wollen nicht hoffen? rief Susanna alles Ernstes. – Das Trauern wollte Trim nicht so leicht in den Kopf wie Susanna. – Ich hoffe, sprach Trim in erklärender Weise, ich hoffe zu Gott, daß die Nachricht nicht richtig ist. – Ich

Weitere Kostenlose Bücher