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Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy

Titel: Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurence Sterne
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Magazin der Philosophie zu schauen begann, und sah, wie viel treffliche Dinge sich bei diesem Anlaß sagen ließen, – so, sagt der große Redner, kann sich kein Mensch vorstellen, wie glücklich, wie vergnügt mich das machte.
    Mein Vater war auf seine Beredtsamkeit ebenso stolz, wie Marcus Tullius Cicero es nur immer sein konnte, und so lange man mich nicht vom Gegentheile überzeugt, mit ebensoviel Recht. Es war in der That seine Stärke – aber allerdings auch seine Schwäche. – Seine Stärke, denn er war von Natur beredt; und seine Schwäche, weil sie ihm stündlich Streiche spielte; und wenn sich eine Gelegenheit bot, wo er seine Talente zeigen, und etwas Kluges, Witziges oder auch Verschrobenes sagen konnte, – (den Fall eines systematischen Unglücks ausgenommen), – so hatte er Alles was er brauchte. – Ein Glücksfall, der meinem Vater die Zunge band, und ein Unglück, das sie mit Anstand löste, machten so ziemlich die gleiche Wirkung auf ihn; bisweilen sogar das Unglück eine bessre, wenn zum Beispiel das Vergnügen sprechen zu können, gleich zehn, und der Schmerz über das Unglück gleich fünf war, – so gewann mein Vater gerade die Hälfte; und kam deshalb über jenen so gut weg, als ob er ihn nie befallen hätte.
    Hierdurch erklärt sich Manches, was sonst im häuslichen Charakter meines Vaters ganz widersinnig erschienen wäre; dies ist auch der Grund, weshalb bei den Anlässen, wo Nachlässigkeiten und Fehler der Diener oder andere Widerwärtigkeiten, die in einer Familie nun einmal nicht zu vermeiden sind, seinen Zorn reizten, dieser oder vielmehr die Dauer desselben beständig jeder Berechnung spottete.
    Mein Vater hatte eine kleine Lieblingsstute, die er von einem sehr schönen arabischen Hengste belegen lassen wollte, um daraus einen Paßgänger für seinen eigenen Gebrauch zu erhalten. In allen seinen Projekten sanguinisch, sprach er auch täglich von diesem Paßgänger mit der größten Sicherheit, wie wenn derselbe schon auferzogen, dressirt, gesattelt und gezäumt vor seiner Thüre stände, so daß er nur aufsitzen dürfte. Durch irgend eine Nachlässigkeit Obadiah's kam es jedoch, daß die Erwartungen meines Vaters – durch einen Maulesel erfüllt wurden, ein so häßliches Vieh, als je eines das Licht der Welt erblickte.
    Meine Mutter und mein Onkel Toby fürchteten, mein Vater werde den Obadiah umbringen, und seine Klagen über dieses Mißgeschick würden nie ein Ende nehmen. – Da sieh, du Spitzbube, was du gethan hast! rief mein Vater und deutete auf den Maulesel. – Ich hab' es nicht gethan, sagte Obadiah. – Wer beweist mir das? erwiderte mein Vater.
    Triumph schwamm im Auge meines Vaters bei dieser Erwiderung. – Das attische Salz hatte es mit Wasser gefüllt; – und so bekam Obadiah nie mehr etwas davon zu hören.
    Wir wollen nun zum Tode meines Bruders zurückkehren.
    Die Philosophie hat für Alles schöne Worte. Für den Tod hat sie eine ganze Reihe; das Unglück war nur, daß sie meinem Vater alle zumal in den Kopf kamen, so daß es schwer war sie in der Art zu vereinigen, um eine solide Schaustellung daraus zu bilden. – Er nahm sie also wie sie kamen.
    Es ist eine unvermeidliche Schickung, – der erste Paragraph der Magna Charta, – eine ewig dauernde Parlamentsacte, lieber Bruder, – daß Alle sterben müssen.
    Wenn mein Sohn nicht hätte sterben können, so wäre dies ein Wunder gewesen; – daß er gestorben, ist keins.
    Könige und Prinzen tanzen in dem gleichen Reigen mit uns.
    Sterben ist die große Schuld, der große Tribut, den wir der Natur bezahlen müssen: Gräber und Denkmäler, die unser Andenken verherrlichen sollen, bezahlen ihn ebenfalls; die stolzeste Pyramide, welche Reichthum und Wissenschaft errichtet hat, hat dann ihre Spitze verloren und steht nun abgestumpft vor den Blicken des Wanderers. – (Mein Vater fand, daß es ihm leichter wurde und er fuhr fort.) Haben nicht Reiche und Provinzen, Städte und Städtchen ihre Perioden? und wenn die Grundsätze und Kräfte, welche sie anfangs zusammenführten und verketteten, ihre Evolutionen durchgemacht haben, zerfallen sie. – Bruder Shandy, sagte mein Onkel Toby bei dem Worte »Evolutionen« und legte die Pfeife weg. – Revolutionen wollt' ich sagen, erwiderte mein Vater; – so wahr ich lebe, Bruder Toby, ich meinte Revolutionen; – Evolutionen ist ja Unsinn. – Nein, das ist's nicht, sagte mein Onkel Toby. – Ist es aber nicht Unsinn, den Faden einer solchen Unterhaltung gegen so etwas

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