Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy
Mords, sagte der große Mann. – Gut geworfen, Sechs – Aß! sagte ich. – Nein, bemerkte ein Dritter, der Herr verübte ein Vergehen der –
Ah ma chère fille
! sagte ich, als sie aus ihrer Frühmette vorbeitrippelte, – Sie sehen ja so rosig aus wie der Morgen (die Sonne ging eben auf, wodurch das Compliment um so reizender wurde) – Nein, das kann nicht sein, sagte ein Vierter (sie machte mir einen Knix, – ich küßte meine Hand), es ist wegen Schulden, fuhr er fort. – Ja gewiß, wegen Schulden, sagte ein Fünfter. – Ich möchte die Schulden des Herrn nicht für 1000 Pfund bezahlen, sagte Aß. – Ich nicht für sechs Mal so viel, sagte Sechs. – Wieder gut geworfen, Sechs – Aß! sagte ich, – aber ich habe keine Schulden als die Schuld der Natur; und ich werde ihr jeden Pfennig bezahlen, den ich ihr schuldig bin, sie soll sich nur noch ein wenig gedulden. – Wie können Sie so hartherzig sein, Madame, daß Sie einen armen Reisenden in Haft nehmen wollen, der ohne irgend Jemand zu belästigen ruhig seinen Angelegenheiten nachgeht? Halten Sie doch diesen weitausschreitenden Schuft mit dem Todtengesicht, diese Sünderscheuche, die mir nachsetzt, gefälligst auf. – Er wäre mir nie nachgeeilt, wenn Sie nicht wären; – und wenn's nur eine oder zwei Stationen wären, gerade so viel, daß ich einigen Vorsprung vor ihm gewinnen könnte, ich bitte Sie dringend, Madame. – Thun Sie's, liebe Dame. Nun. wahrhaftig, sagte mein irischer Wirth, es ist wirklich Schade, daß all diese schöne Courmacherei umsonst ist, denn die junge Dame ist weiter gegangen, und hat es nicht gehört. –
Esel! sagte ich.
Sonst haben Sie in Boulogne nichts Sehenswürdiges?
Ach Herr Jesus! wir haben das schönste Seminar für
Humaniora
. –
Schöner gibt es keins. sagte ich.
209. Kapitel.
Wenn die Wünsche eines Menschen seine Gedanken neunzig Mal schneller vorwärts jagen, als das Fuhrwerk, in dem er reist, – dann wehe der Wahrheit und wehe dem Fuhrwerk und dessen Ausstattung (mag sie aus einem Stoff sein aus welchem sie will), gegen die er die Enttäuschung seines Innern losläßt!
Da ich, wenn ich in Wuth bin, niemals allgemeine Charakterisirungen von Menschen oder Dingen gebe, so bestand die ganze Betrachtung, die ich anstellte, als mir die Geschichte zum ersten Male passirte, darin, daß ich sagte: je größer die Hast, desto geringer die Eile, – das 2., 3., 4. und 5. Mal beschränkte ich mich darauf den 2., 3., 4. und 5. Postknecht deshalb auszuzanken und stellte keine weiteren Betrachtungen an. Als die Sache mir aber auch zum 6., 7., 8., 9., 10. und alle Mal ohne Ausnahme passirte, da konnte ich nicht umhin eine Betrachtung über die Nation anzustellen, die ich in folgende Worte faßte: –
An einem französischen Postwagen ist zu Anfang einer Reise immer etwas in Unordnung.
Was sich auch so ausdrücken ließe:
Ein französischer Postillon muß immer absteigen, ehe er dreihundert Schritt von der Station entfernt ist.
Was ist denn jetzt wieder los? –
Diable
! – ein Strick ist gerissen! – ein Knoten ist abgegangen! – eine Krampe ist los! – ein Bolzen ist zu schärfen! – es ist etwas an einem Stift, einer Felge, einer Kerbe, einer Strupfe, einer Schnalle, einer Schnallenzunge zu machen.
So richtig nun dies Alles ist, so halte ich mich doch nicht für berechtigt, deshalb die Postkutsche oder deren Lenker zum Teufel zu wünschen; auch fällt es mir nicht ein, bei dem lebendigen Gott zu schwören, ich wollte 10,000 Mal lieber zu Fuß gehen, – oder ich wolle verdammt sein, wenn ich je wieder eine Postkutsche besteige; – ich nehme die Sache vielmehr ganz kaltblütig vor, und sage mir, daß ein Nagel, oder eine Kerbe, oder ein Bolzen, oder eine Schnalle, oder eine Schnallenzunge immer fehlen oder nicht in Ordnung sein müsse, wo ich immer reise. – Auf diese Art wüthe ich nie, sondern nehme das Gute und Böse, wie es mir in den Weg kommt, und fahre weiter. – Thu das, mein Junge, sagte ich; er hatte bereits fünf Minuten mit Absteigen verloren, um sein Frühstück von Schwarzbrod hervorzuholen, das er in die Kutschentasche gesteckt hatte, und war dann wieder aufgestiegen und langsam weiter gefahren, um mehr Genuß davon zu haben. – Etwas rascher, Schwager, sagte ich, aber in dem denkbarst einschmeichelnden Ton, denn ich klopfte mit einem vierundzwanzig Sousstück an die Scheibe, wobei ich Sorge trug, daß die breite Seite gegen ihn sah, als er zurückblickte. Der Schlingel grinste
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