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Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy

Titel: Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurence Sterne
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er nichts darin zu schaffen hat, sondern sich umdrehen und bei jeder Gosse, die er überschreitet, lediglich aus Gewissenhaftigkeit die Feder in die Hand nehmen müßte. um sie zu beschreiben; denn wenn wir nach dem urtheilen wollen, was Alle über diese Dinge geschrieben haben, welche geschrieben und galoppirt – oder galoppirt und geschrieben haben, was wieder etwas ganz Anderes ist; oder welche der größeren Eile wegen galoppirend geschrieben haben, – wie ich gegenwärtig thue, – so gab es von dem großen Addison an, der es that während ihm sein Ranzen mit Schulbüchern auf dem H— hing und seines Thiers Hintertheil bei jedem Schlag traf, – keinen Galopin von uns Allen, der nicht lieber ruhig auf eigenem Grund und Boden (falls er welchen hat) wandelte und was er zu schreiben hat, lieber trockenen Fußes schriebe.
    Was mich selbst betrifft, so ist der Himmel, an den ich immer meine letzte Berufung richten werde, mein Zeuge, – daß ich von Calais (mit Ausnahme des Wenigen, was mir mein Barbier erzählte, während er sein Rasirmesser wetzte) nicht mehr weiß als von Cairo; denn an dem Abend, da ich landete, war es trübe, und an dem Morgen, da ich abfuhr, pechfinster; gleichwohl wollte ich, wenn ich nur ein klein wenig wüßte, – und in einem Theil der Stadt dies von jenem ableitete, und im andern dies und das zusammenbuchstabirte, – jede Reisewette machen, daß ich ein armslanges Kapitel über Calais schreiben wollte; und zwar mit soviel genauen Details über Alles was in jener Stadt der Neugierde des Reisenden würdig ist, – daß man mich für den Stadtschreiber von Calais halten sollte. – Und was wäre dabei zu verwundern, mein Herr? War nicht auch Demokritos, der zehn Mal mehr lachte als ich, – Stadtschreiber von Abdera? Und war nicht ein Gewisser (dessen Namen ich vergaß), der mehr Klugheit besaß als wir Beide, Stadtschreiber von Ephesus? Es sollte überdies mit so viel Kenntniß, Verstand, Wahrheit und Genauigkeit geschrieben werden, – Nun, – wenn Sie mir nicht glauben wollen, so lesen Sie nur zur Strafe das folgende Kapitel.

206. Kapitel.
    Calais, Calatium, Calusium, Calesium
.
    Diese Stadt war, wenn wir den in ihren Archiven befindlichen Notizen Glauben schenken wollen, deren Wahrhaftigkeit zu bezweifeln ich hier keinen Grund sehe, – einst nur ein kleines Dorf, das einem der ersten Grafen von Guignes gehörte; und da die Stadt gegenwärtig nicht weniger als 14,000 Einwohner zählt, worin die 420 Familien in der
basse ville
oder unteren Stadt nicht eingerechnet sind, – so muß sie offenbar ganz allmählich zu ihrer jetzigen Größe emporgewachsen sein.
    Die Stadt hat vier Klöster, aber nur eine Pfarrkirche. Ich hatte keine Gelegenheit, ein genaues Maß vom Umfang der letzteren zu nehmen, aber es ist nicht schwer, denselben ziemlich annähernd zu schätzen; – denn da die Stadt 14,000 Einwohner hat, so muß die Kirche, falls sie alle in sich aufnehmen soll, ziemlich groß sein; – falls sie dies aber nicht könnte, – so wäre es sehr schade, daß nicht noch eine da ist. – Die Kirche ist in Kreuzform gebaut und der Jungfrau Maria geweiht; der Thurm, der eine Spitze hat, steht über der Mitte der Kirche auf vier Pfeilern, die elegant und leicht genug, jedoch zugleich genügend stark sind. – Sie ist mit elf Altären geschmückt, die mehr reich als schön sind. Der Hochaltar ist in seiner Art ein Meisterstück, aus weißem Marmor und fast 60' hoch; wäre er noch viel höher, würde er so hoch wie der Kalvarienberg selbst sein; – ich glaube daher, daß er in jeder Beziehung hoch genug ist.
    Nichts machte einen größeren Eindruck auf mich als der große Platz: er ist zwar weder gut gepflastert noch schön umbaut; aber er befindet sich im Herzen der Stadt und die meisten Straßen, besonders diejenigen in dem betreffenden Viertel, münden darein. Wenn in ganz Calais ein Brunnen wäre, was wie es scheint unthunlich ist, so würde er zweifellos, da ein solcher Gegenstand dem Platz sehr zur Zierde gereicht haben würde, von den Einwohnern in die Mitte desselben gestellt worden sein; – der Platz ist nicht eigentlich ein Quadrat, denn er ist von Osten nach Westen um 40' länger als von Norden nach Süden, so daß die Franzosen im Allgemeinen mehr Recht haben, wenn sie ihn Platz statt Square (Viereck) nennen, welches letztere er genau genommen wirklich nicht ist.
    Das Rathhaus ist ein armseliges Gebäude und nicht im besten Stand gehalten; sonst hätte es eine zweite große

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