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Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy

Titel: Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurence Sterne
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dem nächsten Kapitel entnehmen können.

213. Kapitel.
    Wäre ich in der Lage, mit dem Tod einen Vertrag abschließen zu können, wie ich in diesem Augenblick mit meinem Apotheker verhandle, wie und wo ich sein Klystier nehmen solle, – so würde ich mich ganz bestimmt dagegen aussprechen, mich ihm Angesichts meiner Freunde zu unterwerfen; ich denke deshalb nie ernstlich über die Art und Weise dieser großen Katastrophe nach, was übrigens meine Gedanken eben so sehr in Anspruch nimmt und quält wie die Katastrophe selbst – ohne daß ich jedes Mal einen Vorhang mit dem Wunsche darüber ziehe, der Allmächtige möchte es so anordnen, daß es mir nicht in meinem eigenen Hause passire – sondern lieber in einem anständigen Gasthof. Zu Hause weiß ich schon – würde die Betrübniß meiner Freunde und die letzten Dienste, die sie mir erwiesen, das Abwischen meiner Stirne, das Glätten meines Kissens mit der zitternden Hand der bleichen Liebe, meine Seele so peinigen. daß ich an einer Krankheit stürbe, an die mein Arzt nicht dächte. In einem Gasthofe dagegen würden die wenigen kalten Dienstleistungen, deren ich bedürfte, mit ein Paar Guineen zu erkaufen sein und mit einer ungetrübten, pünktlichen Aufmerksamkeit geschehen. Indessen bitte ich zu bemerken, daß dieser Gasthof dann doch nicht der von Abbeville sein sollte: und gäbe es auch keinen andern Gasthof auf der Welt, ich würde dennoch diesen Gasthof aus dem Vertrage streichen. Also Punkt vier Uhr Morgens soll angespannt sein. –
    Ja, mein Herr, Punkt vier – oder bei der h. Genovefa. ich fange einen Lärm im Hause an, daß die Todten davon aufwachen.

214. Kapitel.
    »Mache sie gleich einem Rade!« – ist, wie alle Gelehrten wissen, eine bittere Spottrede gegen die große Tour und jenen rastlosen Touristengeist, der, wie David voraussah, die Menschenkinder in der letzten Zeit heimsuchen würde; es ist deshalb, wie der große Bischof Hall meint, eine der schwersten Verwünschungen, die David jemals gegen die Feinde des Herrn ausgestoßen hat, – und so viel wie wenn er gesagt hätte: »ich wünsche ihnen kein schlimmeres Schicksal als ewig herum zu rollen.« – So viel Bewegung, fährt er fort, ist eben so viel Unbehagen (er war nämlich sehr beleibt); und so viel Ruhe wäre nach der gleichen Analogie eben so viel Himmel.
    Nun denke ich (der ich sehr dünn bin) ganz anders; daß nämlich so viel Bewegung so viel Leben und so viel Freude sei: – und daß stille stehen oder nur langsam vorwärtskommen, Tod und Teufel sei.
    Hollah! Ho! – Da schläft ja die ganze Welt! – die Pferde heraus, – die Räder geschmiert, – das Brieffelleisen aufgebunden, einen Nagel in dieses Tragband geschlagen, – ich will keinen Augenblick verlieren.
    Nun war aber das Rad, von dem wir sprechen, und wozu (nicht worauf , denn sonst würde ja ein Ixions Rad daraus) er seine Feinde verwünschte, entsprechend der Leibesbeschaffenheit des Bischofs, gewiß ein Postkutschenrad, mochte es nun damals welche in Palästina geben oder nicht; – mein Rad aber muß aus den entgegengesehen Gründen ein Karrenrad sein, das fast ein Menschenleben dazu braucht, bis es seine Umdrehung ächzend vollzogen hat; und von diesen hatten sie, wie ich als Bibelausleger ohne Anstand behaupten würde, in jener gebirgigen Gegend gewiß einen großen Vorrath.
    Ich liebe die Pythagoräer (und zwar weit mehr als ich je meiner lieben Jenny zu sagen wage) wegen ihres χωρισμὸν απὸ του̃ σώματος, είς τὸ καλω̃ς φιλοσοφει̃ν – »wegen ihres Heraustretens aus dem Körper, um richtig zu denken.« Kein Mensch denkt richtig, solange er sich darin befindet; da er nothwendig durch die ihm eigenthümlichen Launen verblendet und wie der Bischof und ich selbst durch zu schlaffe oder zu straffe Fasern nach verschiedenen Richtungen hin zu Abweichungen genöthigt wird. – Die Vernunft ist zur Hälfte sinnliches Empfinden; und selbst den Himmel bemessen wir lediglich nach unseren dermaligen Gelüsten und unserer Verdauung.
    Wer aber, glauben Sie, habe im gegenwärtigen Falle am meisten Unrecht?
    Gewiß Sie, erwiderte sie, da Sie eine ganze Familie so früh stören.

215. Kapitel.
    Sie wußte jedoch nicht, daß ich ein Gelübde gethan hatte, mich nicht früher rasiren zu lassen, bis ich in Paris sein würde, – doch ich hasse es, aus Nichts ein Geheimniß zu machen. – Es ist dies die kalte Vorsicht einer jener kleinen Seelen, deren Größe Lessius (Buch 13
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