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Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy

Titel: Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurence Sterne
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gehen, als ob sie noch am Boden des Tintenfasses säßen.
    Ich wünsche, der männliche Leser möchte nicht manche ebenso interessante und feine Stelle wie diese überschlagen haben, bei welcher der weibliche Leser erwischt wurde. Ich wünsche, dieser Fall möchte seine Wirkung nicht verfehlen, – und alle guten Leute, männliche und weibliche ein Exempel daran nehmen und ebenso gut denken wie lesen lernen.

21. Kapitel.
    Ich möchte nur wissen, was all der Lärm und das Hin- und Herrennen da droben zu bedeuten hat? sagte mein Vater (nachdem sie etwa 1½ Stunden schweigend beisammen gesessen waren) zu meinem Onkel Toby – der am anderen Ende des Kaminfeuers saß und die ganze Zeit her sein geselliges Pfeifchen rauchte und dabei ein Paar neue schwarze Sammethosen, die er an hatte, betrachtete; – was mögen sie wol thun? sagte mein Vater, – wir können ja kaum unser eigenes Wort hören.
    Ich denke, erwiderte mein Onkel Toby, indem er die Pfeife aus dem Mund nahm und mit dem Kopf derselben ein paar Mal auf den Nagel seines linken Daumens klopfte, ehe er seine Rede begann – ich denke, sagte er, – allein um die Ansichten meines Onkels Toby in dieser Sache recht zu verstehen, müssen Sie erst ein wenig mit seinem Charakter bekannt gemacht werden, von dem ich Ihnen jetzt einen leichten Umriß geben will. Hernach kann das Zwiegespräch zwischen ihm und meinem Vater wieder ruhig weiter gehen.
    Wie hieß doch der Mann – denn ich schreibe in solcher Eile, daß ich keine Zeit habe mich darauf zu besinnen oder deshalb nachzuschlagen – der zuerst die Bemerkung machte: daß in unserer Luft und unserem Klima große Unbeständigkeit herrsche? Wer es immer gewesen sein mag, seine Bemerkung ist richtig und gut. – Allein der daraus gezogene Schluß, nämlich: daß es daher komme, daß wir eine solche Menge seltsamer, grillenhafter Charakter haben – stammt nicht von ihm; das hat ein anderer Mann wenigstens anderthalb Jahrhunderte später herausgefunden. Die Bemerkung sodann – daß dieses reiche Magazin der Originalität die wirkliche und natürliche Ursache davon sei, daß unsere Lustspiele um soviel besser seien als die französischen oder irgend welche andere, die man auf dem Continent geschrieben habe oder schreiben könne: – diese Entdeckung wurde erst um die Mitte der Regierung des Königs William gemacht, – wo der große Dryden (wenn ich nicht irre) in einer seiner langen Vorreden so glücklich war, darauf zu kommen.
    Gegen Ende der Regierung der Königin Anna begann dann der große Addison diese Entdeckung unter seinen Schutz zu nehmen, und sie in einigen Nummern seines Spectators der Welt weitläufig aneinander zu setzen; – gemacht hat er sie aber nicht.
    Viertens und letztens aber, daß diese merkwürdige Unregelmäßigkeit in unserem Klima, indem sie eine so merkwürdige Unregelmäßigkeit in unseren Charakteren erzeuge – uns hierdurch einigermaßen schadlos halte, indem sie uns Etwas gebe, womit wir uns erheitern können, wenn die Witterung uns nicht gestattet, auszugehen – diese Bemerkung kommt von mir – und wurde von mir heute den 26. März 1759, an einem recht regnerischen Tag, Morgens zwischen 9 und 10 Uhr gemacht.
    So – meine Herrn Collegen und Mitarbeiter an dieser großen Ernte der Wissenschaft, die gegenwärtig vor unseren Augen reift – so ist es durch langsames Vorwärtsschreiten auf dem Wege zufälligen Wachstums so weit gekommen, daß unsere physikalischen, metaphysischen, physiologischen, polemischen, nautischen, mathematischen, enigmatischen, technischen, biographischen, romantischen, chemischen und hebammischen Kenntnisse, nebst weiteren fünfzig Gattungen, die meistens auch auf »ischen« endigen, in diesen letzten zwei Jahrhunderten und etwas darüber, sich allmählich jener Ακμὴ ihrer Vervollkommnung genähert haben, von der wir, wenn wir nach den Fortschritten dieser letzten sieben Jahre schließen dürfen, nicht mehr weit entfernt sein können.
    Wenn wir sie aber erreicht haben, ist zu hoffen, daß damit allen Arten von Schreibereien ein Ende gemacht werde – der Mangel an Schriften aber wird allem Lesen ein Ende machen; und das muß – wie Krieg Armuth erzeugt, Armuth aber wieder Frieden – natürlich wieder in Kürze jeder Art von Wissenschaft ein Ende machen – und dann – müssen wir Alle wieder von vorn anfangen; oder mit andern Worten wir sind dann wieder da angelangt, von wo wir ausgegangen waren.
    Glückliche, drei Mal glückliche Zeiten! Ich

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