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Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy

Titel: Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurence Sterne
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wünsche nur, daß die Aera meiner Zeugung wie auch die Art und Weise derselben ein wenig anders gewesen wäre – oder daß sie, wofern es meinem Vater oder meiner Mutter gepaßt hätte, noch etliche 20–25 Jahre verschoben geblieben wäre, wo dann ein Mann in der literarischen Welt mehr Aussicht gehabt hätte.
    Doch ich vergesse meinen Onkel Toby, der die ganze Zeit her die Asche aus seiner Tabakspfeife klopft.
    Sein Humor war von der besonderen Sorte, die unserer Atmosphäre Ehre macht; und ich würde mich keinen Augenblick besonnen haben, ihn unter ihre Producte erster Klasse zu reihen, hätten sich nicht dabei so viele starke Züge einer Familienähnlichkeit gezeigt, aus denen hervorging, daß er die Eigenthümlichkeit seines Wesens mehr dem Blut als dem Wind oder Wetter oder einer Verbindung, einer Abart beider zu verdanken habe. Ich habe mich daher auch oft gewundert, daß mein Vater – (ich glaube freilich, daß er seine besonderen Gründe dazu hatte), – wenn er an mir als Knabe gewisse Anzeichen von Sonderbarkeit bemerkte, – sich niemals die Mühe nahm, dieselben auf diese Weise zu erklären; denn die ganze Familie Shandy hatte einen eigenthümlichen Charakter: – ich meine die männlichen Mitglieder derselben – denn die weiblichen hatten gar keinen Charakter – mit Ausnahme meiner Großtante Dinah, die vor etwa 60 Jahren ihren Kutscher geheirathet und ein Kind von ihm bekommen hatte; weshalb mein Vater, seiner Hypothese in Betreff der Vornamen getreu, zu sagen pflegte, sie habe sich bei ihren Pathen und Pathinnen dafür zu bedanken.
    Es wird sonderbar erscheinen – und wenn ich den Leser rathen lassen wollte, wie das zuging, so möchte es scheinen ich wolle ihm ein Rätsel aufgeben, was nicht in meinem Interesse liegt – daß ein Ereigniß dieser Art so viele Jahre nachher noch den Frieden und die Eintracht stören sollte, die sonst in so herzlicher Weise zwischen meinem Vater und meinem Onkel Toby bestanden. Man hätte denken sollen, daß sich die ganze Macht des Ungewitters gleich anfangs in der Familie entladen und verzehrt hätte – wie dies gewöhnlich der Fall ist. – Aber in unserer Familie ging eben nichts auf die gewöhnliche Weise. Möglich daß zur Zeit da jenes geschah, noch irgend etwas Anderes sie schmerzlich betraf; und da uns ja die Trübsal zu unserem Besten geschickt wird, der Familie Shandy aber aus jenem Mißgeschick noch nie irgend etwas Gutes erwachsen war, so mochte es wol auf passendere Zeiten und Umstände warten, wo es gelegentlich seinen Zweck erfüllen konnte. – Ich bitte übrigens zu bemerken, daß ich hierüber nichts Bestimmtes gesagt haben will. Mein Weg ist immer der, daß ich dem Wißbegierigen verschiedene Spuren der Nachforschung andeute, auf denen er bis zu der Quelle der Ereignisse gelangen kann, die ich erzähle; – nicht mit dem Griffel des Pedanten – oder in der entschiedenen Weise des Tacitus, der klüger ist als er selbst und sein Leser; sondern mit der dienstfertigen Demuth eines Herzens, das nur die Wißbegierigen unterstützen will: – für diese schreibe ich – und von ihnen werde ich auch bis ans Ende der Welt gelesen werden wenn eine solche Lecture sich so lange halten kann.
    Weshalb also diese Quelle der Betrübniß für meinen Vater und Onkel aufbehalten blieb, lasse ich unentschieden. Wie und in welcher Richtung sie aber wirkte, um die Ursache einer mißvergnügten Stimmung zwischen ihnen zu werden, nachdem sie einmal begonnen hatte zu wirken, das kann ich mit größter Genauigkeit auseinander setzen. Die Sache war so:
    Mein Onkel Toby Shandy, Madame, besaß neben den Tugenden, welche gewöhnlich den Charakter eines ehrenhaften und rechtschaffenen Mannes bezeichnen – noch eine andere und zwar in hohem Grade, welche sonst selten oder nie auf der Liste steht; und das war eine außerordentliche, beispiellose Züchtigkeit von Natur – doch ich streiche das Wort Natur wieder, weil ich einen Punkt nicht zum voraus entscheiden möchte, der bald näher untersucht werden muß: ob nämlich diese Züchtigkeit ihm von Natur anklebte oder ob sie erworben war? – Auf welchem Wege aber mein Onkel dazu gekommen sein mochte, Züchtigkeit im reinsten Sinne des Worts war es; und zwar, Madame, nicht in Beziehung auf seine Worte, denn er hatte leider über sehr wenige zu gebieten – sondern in sachlicher Beziehung – und diese Art Züchtigkeit hatte ihn so in Beschlag genommen, und eine solche Höhe in ihm erreicht, daß sie fast der Züchtigkeit

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