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Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy

Titel: Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurence Sterne
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lieber Bruder Shandy – so laß doch diese Geschichte von unserer Tante bei ihrer Asche ruhen. – Wie kannst du – wie kannst du nur so wenig Gefühl und Rücksicht für den guten Namen unserer Familie haben? – Was ist der gute Name einer Familie gegen eine Hypothese? pflegte mein Vater zu erwidern. – Ja, wenn du damit kommst – was ist das Leben einer Familie? – Das Leben einer Familie! – sagte dann mein Onkel Toby, warf sich in seinen Lehnstuhl zurück und erhob seine Hände, seine Augen und ein Bein gen Himmel. – Ja das Leben, fuhr dann mein Vater fort und hielt seinen Satz aufrecht.
    Wie viel tausend Leben werden alljährlich für eine Hypothese weggeworfen (wenigstens in allen civilisirten Ländern) – und als gewöhnliche Luft betrachtet. – Nach meiner einfachen Beurtheilung der Dinge, erwiderte dann mein Onkel Toby – ist jeder Fall der Art reiner Mord, begehe ihn wer will. – Da irrst du dich, pflegte mein Vater zu erwidern; – denn in
Foro Scientiae
gibt es keinen Mord – sondern nur Todschlag, Bruder.
    Mein Onkel Toby pflegte diesem Ausspruch keinen andern Beweisgrund entgegen zu stellen, als daß er ein halb Dutzend Takte des Lillabullero pfiff. – Dies war nämlich der gewöhnliche Kanal, in welchem sich seine Leidenschaften Luft machten, wenn ihn irgend etwas alterirte oder in Staunen setzte; besonders aber wenn Etwas behauptet wurde, was er für höchst abgeschmackt hielt.
    Da nicht Einer unserer Schriftsteller über Logik, nicht Einer der Commentatoren derselben, so weit ich weiß, es für angezeigt gehalten hat, dieser besonderen Beweisart einen Namen zu geben – so nehme ich mir hier die Freiheit es selbst zu thun, und zwar aus zwei Gründen; erstens damit derselbe, um alle Verwirrung bei Wortgefechten zu vermeiden, ein für alle Mal von jeder anderen Beweisart so vollständig geschieden dastehe – wie das
Argumentum ad Verecundiam, ex Absurdo, ex Fortiori,
oder irgend ein anderes Argument; – und zweitens, damit wenn mein Haupt zur Ruhe gelegt ist, meine Kindeskinder sagen können, der Kopf ihres gelehrten Großvaters habe sich mit ebensoviel wichtigen Dingen beschäftigt als der anderer Leute; – er habe einen Namen erfunden, – und ihn in edelmüthiger Weise dem Schatz der
Ars Logika
überlassen, als einer der unwiderleglichsten Beweise der ganzen Wissenschaft; und wenn der Zweck eines Wortstreits eher darin besteht, den Gegner zum Schweigen zu bringen als ihn zu überzeugen – so können sie wenn sie wollen, noch hinzufügen – zugleich als einen der besten Beweise.
    Ich verordne und befehle daher hiemit aufs bündigste, daß dieser Beweis künftig unter dem Namen und Titel
Argumentum Fistulatorium
und unter keinem andern bekannt und bezeichnet sein solle; – daß er auf gleicher Rangstufe mit dem
Argumentum Baculinum
und dem
Argumentum ad Crumenam
stehen und künftig hin für ewige Zeiten in dem gleichen Kapitel abgehandelt werden solle.
    Was das
Argumentum Tripodium
betrifft, welches nur von der Frau gegen den Mann benützt wird; – sowie das
Argumentum ad Rem
, welches im Gegentheil nur von dem Mann gegen die Frau zur Anwendung kommt; – so sollen, da diese zwei wahrlich für eine Vorlesung genug sind – und da überdies der eine dieser Beweise, die beste Antwort auf den andern ist – sie gleichfalls abgesondert und in einem besonderen
Placit
abgehandelt werden.

22. Kapitel.
    Der gelehrte Bischof Hall, ich meine den berühmten
Dr.
 Joseph Hall, der unter der Regierung des Königs Jacob I. Bischof von Exeter war, sagt uns in einer seiner Dekaden, am Schluß seiner Göttlichen Kunst der Betrachtung, die in London im Jahre 1610 bei John Beal in der Aldersgatestraße gedruckt wurde: »daß es etwas ganz Nichtswürdiges von einem Mann sei, wenn er sich selbst lobe« – und ich bin in der That der Ansicht, daß es so ist.
    Und doch wenn anderer Seits Etwas auf eine meisterhafte Art durchgeführt worden ist, und wahrscheinlich sonst nicht ans Licht gekommen wäre; – so halte ich es für ebenso nichtswürdig, wenn ein Mann die Ehre dieser That verlieren und aus der Welt gehen sollte, mit dem Gedanken, daß es in seinem Kopfe verfaulen solle.
    In dieser Lage bin ich nun gerade.
    Denn in dieser langen Abschweifung, zu der ich ganz zufällig veranlaßt wurde, wie in allen meinen Abschweifungen (eine einzige ausgenommen) liegt ein Meisterstück der Abschweifungskunst, dessen Werth, wie ich fürchte, die ganze Zeit über von meinem Leser übersehen wurde, – nicht

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