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Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy

Titel: Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurence Sterne
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Courtine vor, weil dieselbe so gut flankirt ist (Gerade wie bei den andern Courtinen, sagte
Dr.
 Slop lachend). Um sie jedoch ganz sicher zu stellen, legen wir gewöhnlich Ravelins davor, wobei wir Sorge tragen, daß sie über die Fossé oder den Graben hinausreichen. – Gewöhnliche Leute, welche nichts von Befestigung verstehen, verwechseln das Ravelin mit dem Halbmond; – das sind aber zwei ganz verschiedene Dinge, nicht sowol in Betreff ihrer Form oder Construction, denn wir machen beide in allen Theilen gleich; sie bestehen nämlich immer aus 2 Facen, die einen ausspringenden Winkel bilden und deren Kehle keine enge ist, sondern die Form eines Halbmonds hat. – Worin liegt dann der Unterschied? fragte mein Vater etwas ärgerlich. – In ihrer Lage, erwiderte mein Onkel Toby; – denn wenn ein Ravelin vor der Courtine liegt, Bruder, so ist es ein Ravelin; liegt es aber vor einer Bastion, so ist das Ravelin kein Ravelin – sondern ein Halbmond; ebenso ist ein Halbmond nur solange ein Halbmond, als er vor seiner Bastion liegt, und nicht länger; wenn er aber seinen Platz wechseln und vor die Courtine kommen könnte – dann wäre es kein Halbmond mehr; ein Halbmond ist in diesem Falle kein Halbmond – er ist nur noch ein Ravelin. – Mir scheint, bemerkte mein Vater, diese edle Befestigungskunst hat so gut ihre schwachen Seiten – wie jede andere Wissenschaft.
    Was aber das Hornwerk anbelangt (O Jerum! seufzte mein Vater), von welchem mein Bruder sprach, fuhr mein Onkel Toby ruhig fort, so ist das ein sehr wichtiges Außenwerk; – es wird von den französischen Ingenieuren
ouvrage à cornes
genannt; wir legen es im Allgemeinen an, um solche Stellen zu decken, die wir für schwächer halten als die übrigen. Es wird aus 2 Epaulements oder Halbbastionen gebildet – es sieht sehr hübsch aus – und wenn Sie einen kleinen Gang machen wollen, so getraue ich mir Ihnen Eins zu zeigen, das schon der Mühe verlohnt. – Wenn wir es krönen, fuhr mein Onkel Toby fort, dann ist es allerdings viel stärker; allein es wird dann auch sehr kostspielig und bedarf einen großen Raum. Ich bin deshalb der Ansicht, daß es am besten dazu taugt, den Zugang zu einem Lager zu decken oder zu vertheidigen; sonst möchte ich der doppelten Tenaille – bei der Mutter, die uns gegeboren hat, Bruder Toby! rief mein Vater, der es nicht mehr aushalten konnte, – du könntest einen Heiligen außer sich bringen; – da hast du uns plötzlich, ich weiß nicht wie, wieder mitten in die alte Geschichte hineingebracht – und so voll ist dein Kopf von diesen verdammten Werken, daß trotzdem meine Frau mitten in ihren Wehen ist und du sie schreien hörst, du doch an nichts denkst als den Geburtshelfer spazieren zu führen. – Den Accoucheur, wenn ich bitten darf, sagte
Dr.
 Slop. – Sehr gern, erwiderte mein Vater, es ist mir gleich, wie man Sie nennt; – aber ich wollte die ganze Befestigungskunst mit allen ihren Erfindern wäre beim Teufel; – sie hat schon Tausenden den Tod gebracht – und wird ihn mir auch noch bringen. – Ich möchte mein Gehirn nicht so voll von Sappen, Minen, Blendirungen, Schanzkörben, Palissaden, Ravelins, Halbmonden und wie das Zeug alles heißt, haben, Bruder Toby, und wenn man mir Namur und alle flanderischen Städte dafür schenkte!
    Mein Onkel Toby ertrug Kränkungen mit Geduld; – nicht aus Mangel an Muth – ich habe Ihnen in einem früheren Kapitel gesagt, daß er Muth hatte; und ich füge hier bei, daß wo ein kritischer Fall eintrat, oder es nöthig machte – ich Niemand kannte, bei dem ich lieber Zuflucht genommen hätte; – auch war es nicht Folge von Unempfindlichkeit oder intellectuelle Stumpfheit – denn er fühlte diese Kränkung von Seiten meines Vaters so tief, als man nur konnte; – aber er besaß ein sanftes, friedliches Naturell – es war durchaus kein bissiges Element in ihm – alles war da so freundlich, so gutherzig gemischt, daß mein Onkel Toby es kaum über's Herz bringen konnte, einer Fliege wehe zu thun.
    Geh – sagte er eines Tags beim Mittagessen zu einer recht dicken, die ihm das ganze Essen über um die Nase geschwirrt war und ihn gepeinigt hatte – und die er nach zahllosen vergeblichen Versuchen endlich erwischt hatte; – ich will dir nichts thun, sagte mein Onkel Toby und stand auf und ging mit der Fliege in der Hand aus Fenster – ich will dir kein Haar auf deinem Haupte verletzen: – Geh, sagte er und schob das Fenster zurück und öffnete dabei die Hand,

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