Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy
Kirchenrechtslehrers Tribonius 3½ Zoll lang, somit um 3 / 8 länger ist als der Bart des Didius – so ist es mir sehr lieb, daß er die Waffe für mich ergriffen hat; ich brauche mich daher nicht mehr wegen der Antwort zu beunruhigen. – Bruder Didius, wird Tribonius sagen, es ist eine ausgemachte Sache, wie Ihr es in den Codexfragmenten von Gregorius und Hermogenes finden könnt, wie auch in allen Gesetzbüchern von Justinian bis Louis und
Des Eaux
– daß der Schweiß an der Stirne eines Mannes und die Ausschwitzungen seines Gehirns ebenso sehr das Eigenthum eines Mannes sind wie die Hosen die er an hat; – welche besagte Ausschwitzungen, während der Anstrengung, womit er den Apfel suchte und aufhob, auf diesen fielen; und da sie so durch den Aufheber mit dem aufgehobenen, heimgetragenen, gebratenen, geschälten, gegessenen, verdauten u. s. w. Ding unauflöslich verbunden und daran verbraucht worden sind, – so ist klar, daß der Apfelaufheber durch diese Handlung etwas was sein eigen war, mit dem Apfel der nicht sein eigen war, vermischt hat, wodurch er ein Eigentumsrecht auf den letzteren erworben hat; – mit anderen Worten, der Apfel gehört dem Kunz.
Ganz derselben Art gelehrter Schlußfolgerung bediente sich mein Vater bei seinen Ansichten; er hatte es sich keine Mühe verdrießen lassen, sie aufzulesen und je mehr sie außerhalb der gewöhnlichen Fahrstraße lagen, desto größer war sein Eigentumsrecht daran. – Kein Sterblicher machte einen Anspruch darauf; sie hatten ihn überdies wie beim obigen Fall soviel Anstrengung beim Kochen und Verarbeiten gekostet, daß er sie mit Fug und Recht für sein Hab und Gut ausgeben konnte. – Deshalb hielt er auch mit Zähnen und Händen daran fest – griff nach Allem, was er unter die Hände bekommen konnte – und verschanzte und befestigte sie mit soviel Umwallungen und Brustwehren, wie es mein Onkel Toby mit einer Citadelle gemacht haben würde.
Die Sache hatte nur einen unangenehmen Haken: es gab blutwenig Material, um die Sache im Fall eines tüchtigen Angriffs einigermaßen ordentlich zu vertheidigen; da nur wenige Männer von großem Genie ihre Darstellungsgabe an Büchern über große Nasen ersucht hatten. Beim Trab meines dürren Gaules! Das Ding ist unglaublich, und ich komme ganz außer mir, wenn ich bedenke, welch' ein Schatz kostbarer Zeit und Talente zusammen an viel schlechtere Dinge vergeudet worden ist – und wie viele Millionen von Büchern in allen Sprachen, in allen möglichen Druckweisen und Einbänden über Dinge fabrizirt worden sind, die nicht halbsoviel zur Einträchtigkeit und Friedlichkeit auf der Welt beitragen! – Was jedoch hierüber zu haben war, brachte er in um so größerer Menge bei; und wenn sich mein Vater zuweilen über meines Onkels Toby Bibliothek lustig machte – die allerdings ziemlich lächerlich zusammengesetzt war – so sammelte er doch gleichzeitig selbst alle Bücher und Abhandlungen, welche systematisch von Nasen handelten, ebenso sorgfältig wie es mein ehrlicher Onkel Toby mit den Büchern über Militärbaukunst that. – Allerdings hätte man für jene einen weit kleineren Tisch gebraucht; – aber daran warst du nicht Schuld, mein lieber Onkel.
Hier – doch warum hier eher als an einem anderen Punkt meiner Geschichte? – Das vermag ich nicht zu sagen – es ist nun einmal hier – mein Herz treibt mich an, dir, mein lieber Onkel Toby, ein für alle Mal den Tribut abzustatten, den ich deiner Herzensgüte schulde. – Hier laß mich meinen Stuhl bei Seite schieben und niederknien, während ich das wärmste Gefühl der Liebe für dich, und der Verehrung für deinen vortrefflichen Charakter ausströme, das Tugend und Natur je im Busen eines Neffen entflammten. – Friede und Ruhe sei für immer über deinem Haupte. – Du hast Niemand um sein behagliches Leben beneidet, – Niemand in seinen Ansichten verletzt, – keines Menschen Charakter angeschwärzt, Niemand sein Brod weggegessen! Mit deinem getreuen Trim hinter dir wandeltest du freundlich um den kleinen Kreis deiner Vergnügungen, stiegest Niemand bei Seite, der dir in den Weg kam: für Jedermanns Kummer hattest du eine Thräne; – für Jedermanns Noth einen Schilling.
Solange ich Jemand bezahlen kann, der das Unkraut beseitigt, soll der Fußweg von deiner Thüre nach deinem Rasen nicht überwachsen. Solange die Familie Shandy noch anderthalb Ruthen Land besitzt, sollen deine Schanzen, mein lieber Onkel Toby, nicht zerstört werden.
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