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Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy

Titel: Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurence Sterne
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Kapitel.
    Die Sammlung meines Vaters war nicht groß; dagegen aber merkwürdig; er bedurfte deshalb auch längere Zeit um sie anzulegen; hatte jedoch das große Glück dadurch einen guten Anfang zu machen, daß er Bruscambille's Prolog über lange Nasen fast für nichts erhielt; – denn er gab nur drei halbe Kronen dafür; deren war nur der Umstand Schuld, daß der Mann in der Bude bemerkte, welche ungewöhnliche Begierde mein Vater nach dem Buch zeigte, sobald er es in die Hand bekommen hatte. – Es gibt nicht drei Bruscambille in der Christenheit, sagte der Antiquar, die ausgenommen, die in den Bibliotheken der Liebhaber unauflöslich fest sitzen. Mein Vater warf das Geld blitzschnell hin – steckte den Bruscambille in seinen Busen; – und eilte damit so hastig von Piccadilly nach Colemanstreet, als ob er einen Schatz heimtrüge; den ganzen Weg über ließ er seine Hand nicht von dem Bruscambille.
    Diejenigen welche noch nicht wissen, ob Bruscambille männlichen oder weiblichen Geschlechts ist – insofern eine Abhandlung über lange Nasen ebensogut von dem einen wie von dem andern Geschlecht geschrieben werden kann, – werden nichts gegen das Gleichniß einzuwenden haben, wenn ich sage, daß als mein Vater zu Hause angelangt war, er sich mit Bruscambille in derselben Weise erlustigte, wie zehen gegen eines zu wetten ist, daß der geneigte Leser mit seiner ersten Geliebten that: – nämlich von Morgens bis Abends; was zwar für den Verliebten äußerst ergötzlich sein mag – für die Umgebung jedoch wenig oder gar nicht unterhaltend ist. – Bemerken Sie wohl, ich verfolge das Gleichniß nicht weiter; – das Auge meines Vaters war größer als sein Appetit, – sein Eifer größer als sein Können, – er kühlte sich ab – seine Neigungen wurden getheilt; – er verschaffte sich Prignitz, kaufte Scroderus, Andrea Paraeus, Bouchets' Abendunterhaltungen; und vor Allen den großen und gelehrten Hafen Slawkenbergius; über den ich künftig noch viel zu sagen haben werde, – weshalb ich jetzt nichts von ihm sage.

80.Kapitel.
    Unter all den Abhandlungen, die sich mein Vater zur Unterstützung seiner Hypothese mit Mühe zu verschaffen wußte und studirte, gab es nicht eine, die ihm anfangs eine grausamere Enttäuschung bereitet hätte, als der berühmte Dialog zwischen Pamphagus und Cocles über die vermiedenen Verwendungen und zeitgemäßen Anwendungen langer Nasen, welcher Dialog aus der keuschen Feder des großen und ehrwürdigen Erasmus stammt. – Nun, mein theures Mädchen, gestatten Sie ja nicht, daß sich Satan in diesem Kapitel irgend eines hochgelegenen Punktes bemächtige, um von da aus Ihre Phantasie zu besteigen; oder wenn es seiner Flinkheit gelingt doch hinaufzukommen, so bitte ich Sie inständig, springen Sie, spritzen Sie, hüpfen Sie, steigen Sie, bocken Sie wie ein ungesatteltes Füllen – und schlagen Sie aus in langem oder kurzem Ansatz, bis Sie wie Kitzelmaiers Roß einen Bügel oder einen Gurt zerreißen und Seine Herrlichkeit in den Koth werfen. – Umzubringen brauchen Sie ihn nicht.
    Aber bitte, wie war es denn mit Kitzelmaiers Roß? – Dies mein Herr, ist eine so schmähliche und ungebildete Frage, als ob Sie gefragt hätten, in welchem Jahre (
ab urb. cond.
) der zweite punische Krieg ausgebrochen sei? – Was es mit Kitzelmaiers Roß war? – Lesen Sie, lesen Sie, lesen Sie, mein ungelehrter Leser! – lesen Sie! – oder bei der Gelehrsamkeit des großen Saint Paraleipomenon – ich sage Ihnen zum Voraus, Sie thäten besser daran, Sie legten das Buch gleich bei Seite; denn ohne viel Lesen, worunter ich wie Sie wissen, viel Gelehrsamkeit verstehe, werden Sie die Moral eines marmorirten Blattes (das scheckige Sinnbild meines Werkes!) ebenso wenig verstehen als die Welt mit all ihrem Scharfsinn im Stande war, die vielen Ansichten, Abhandlungen und Wahrheiten zu enthüllen, welche noch unter dem dunkeln Schleier eines schwarzen Blattes mystisch verborgen liegen.

81. Kapitel.
    Nihil me poenit hujus nasi
, sagte Pamphagus, – zu deutsch: – Meine Nase hat mein Glück gemacht. –
Nec est cur poeniteat
, erwiderte Cocles; das heißt: Wie könnte es einer solchen Nase nicht glücken!
    Der Lehrsatz wurde wie Sie sehen von Erasmus mit der größten Offenheit ausgesprochen, wie es auch mein Vater wünschte; die Enttäuschung meines Vaters aber bestand darin, daß er bei einer so gewandten Feder nichts mehr fand als die einfache Thatsache ohne irgend eine jener speculativen Feinheiten

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