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Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy

Titel: Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurence Sterne
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trennte – und kam selten bis an das Ende der 50 Pfund, ohne daß er das Taschentuch zog und sich die Schläfe wischte.
    Gütiger Himmel! schütze mich vor jenen Quälgeistern, welche keine Nachsicht mit solchen inneren Regungen haben. – Laß mich niemals – niemals in dem gleichen Zelte mit denen liegen, welche beständig den Bogen spannen, und kein Gefühl für die Macht der Erziehung und vorgefaßter von den Vorfahren ererbter Meinungen haben!
    Seit wenigstens drei Generationen hatte dieser Satz zu Gunsten langer Nasen allmählich Wurzel in unserer Familie gefaßt. – Die Tradition stand ihm zur Seite, und das Interesse war alle Halbjahr dazu getreten, um ihn zu verstärken; so daß man diese Anschauung keineswegs allein auf Rechnung des wunderlichen Geistes meines Vaters setzen konnte, wie dies fast bei allen seinen andern seltsamen Ansichten der Fall war; – ja man durfte in hohem Maße behaupten, er habe jene mit der Muttermilch eingesogen. Gleichwol that er das Seinige dazu. – Wenn Erziehung diese Schrulle (falls es eine war) pflanzte, so bewässerte mein Vater sie und brachte sie zur Reife.
    Oft, wenn er seine Gedanken über diesen Gegenstand aussprach, sagte er, er könnte nicht begreifen, wie die größte Familie in England eine ununterbrochene Folge von 6 bis 7 kurzer Nasen durchmachen könnte. – Und aus dem entgegengesetzten Grunde pflegte er in der Regel hinzuzusetzen, müßte es eines der größten Probleme im bürgerlichen Leben sein, ob nicht die gleiche Zahl langer und schöner Nasen, die in directer Linie aufeinander folgten, eine solche Familie zu den höchsten Ehrenstellen des Landes emporheben würde. – Er rühmte sich dabei oft, daß die Familie Shandy zu den Zeiten des Königs Heinrich VIII. eine sehr hohe Stellung eingenommen, dies aber keiner Staatskunst verdankt habe, – sondern lediglich diesem Umstand; – wie bei mancher anderen Familie aber – pflegte er hinzuzusetzen – habe sich auch hier das Rad gedreht und die Familie sich nie mehr von dem Schlage erholt, den ihr die Nase meines Urgroßvaters beigebracht. – Es war wahrhaftig ein Kreuzaß, pflegte er zu sagen und den Kopf zu schütteln; – und ein so niederträchtiges, als je eines für eine unglückliche Familie Trumf wurde.
    Schöne, sanfte, edle Leserin! – wohin verirrt sich deine Phantasie! – So wahr der Mensch ein Geschöpf der Wahrheit ist, ich verstehe unter der Nase meines Urgroßvaters das äußere Organ des Riechens, oder jenen Theil des menschlichen Körpers, der ihm im Gesicht steht – und der, wie Maler behaupten, bei guten schönen Nasen und wohlproportionirten Gesichtern ein volles Drittel desselben beträgt; – vom Anwuchs des Haares an nach abwärts gemessen.
    – Was hat doch ein Schriftsteller nicht Alles durchzumachen!

78. Kapitel.
    Es ist ein besonderer Segen, daß die Natur das Gemüth des Menschen mit derselben glücklichen Abgeneigtheit und Widerspenstigkeit gegen Ueberzeugung ausgestattet, wie man an alten Hunden bemerkt, – daß sie keine neue Kunststücke mehr lernen wollen.
    In welch' einen Federball würde der größte Philosoph, der jemals gelebt, sofort verwandelt, wenn er nur solche Bücher lesen, solche Thatsachen beobachten und solche Gedanken denken würde, die ihn beharrlich veranlassen, seinen Standpunkt zu wechseln!
    Nun verachtete mein Vater dies Alles, wie ich Ihnen schon im vorigen Jahre erzählte; – er hob eine Ansicht auf, wie ein Mensch im Naturzustand einen Apfel aufhebt – er wird sein Eigenthum; – und wenn er ein Mann von Geist ist, würde er eher sein Leben verlieren, als daß er ihn aufgäbe.
    Ich kann mir denken, daß Didius der große Civilrechtslehrer diesen Satz bestreitet und mir entgegenhält: – Woher der Mensch ein Recht an den Apfel habe?
Ex confesso
, wird er sagen, – die Dinge befanden sich in einem Zustande der Natur; – der Apfel gehört ebensogut dem Heinz wie dem Kunz. –
    Bitte, Herr Shandy, welchen Rechtstitel kann er dafür aufweisen? und wie begann er sein Eigenthum zu werden? geschah es als er ihm wohlgefiel? oder als er ihn ergriff? oder als er ihn kaute? oder als er ihn briet? oder da er ihn schälte? oder da er ihn verzehrte? oder da er ihn verdaute? – oder da er ihn endlich –? Denn es ist klar, mein Herr, daß wenn nicht das Aufheben des Apfels ihn zu seinem Eigenthum machte, – es auch keine der folgenden Handlungen thun konnte.
    Bruder Didius, wird Tribonius antworten – (da der Bart des Civil- und

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