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Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy

Titel: Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurence Sterne
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Stelle nicht wenig weitschweifig; – seit der Zeit, sagt Slawkenbergius, da ich etwas begriff, – oder vielmehr wußte, wo Barthel den Most holt, – und bemerken konnte, daß das Thema der langen Nasen von allen meinen Vorgängern zu oberflächlich behandelt worden sei, – habe ich, Slawkenbergius, einen starken inneren Trieb, einen mächtigen, unwiderstehlichen Beruf in mir gefühlt, mich selbst zu diesem Unternehmen zu rüsten.
    Und man muß Slawkenbergius die Gerechtigkeit widerfahren lassen, daß er mit einer stärkeren Lanze in die Kampfbahn getreten ist und eine weit größere Strecke in ihr zurückgelegt hat, als irgend Einer, der sie vor ihm betrat; so daß er in der That in mancher Beziehung als ein Muster für alle Schriftsteller, wenigstens für alle Verfasser von dickleibigen Werken, aufgestellt werden darf, um ihre Bücher dem seinigen nachzubilden; – denn er hat den Gegenstand vollständig umfaßt, – jeden einzelnen Theil desselben dialectisch geprüft, – und ihn dann in das vollste Licht gestellt; ja ihn mit all der Lichthelle übergossen, die dem Zusammenstoß seiner natürlichen Gaben entfloß – oder die ihn die tiefste Kenntniß der Wissenschaften auszustreuen in den Stand setzte; indem er im weiteren Verlauf Alles was hierüber in den Schulen und Hörsälen der Gelehrten geschrieben oder erstritten worden, verglich, sammelte und verarbeitete, erbettelte, entlehnte und stahl; so daß Slawkenbergius' Buch nicht nur als ein Muster, – sondern als die Pandekten der Nase, als regelrechte Nasenlehre betrachtet werden kann, die Alles enthält, was über sie zu wissen nöthig ist oder werden kann.
    Deshalb unterlasse ich es auch von so vielen sonst werthvollen Büchern und Abhandlungen – aus der Sammlung meines Vaters zu reden, die entweder geradezu über Nasen geschrieben sind, – oder sie nebenbei berühren; – wie zum Beispiel von Prignitz, der auf dem Tisch vor mir liegt, und der mit unendlicher Gelehrsamkeit und nach der gewissenhaftesten, pedantischen Prüfung von über 4000 verschiedenen Schädeln in mehr als 20 schlesischen Beinhäusern, die er zu dem Ende durchstöbert hatte, – uns belehrt, daß die Maßverhältnisse und Gestaltung der knöchernen oder beinigen Theile der menschlichen Nase in allen Ländern mit Ausnahme der Tataren in der Krim, wo die Nasen den Kindern mit dem Daumen eingedrückt werden, so daß über sie kein Urtheil gefällt werden kann, – einander weit ähnlicher seien als man denkt, – ja, daß der Unterschied ein so unbedeutender sei, daß es gar nicht der Rede verlohne; – daß aber die Größe und Schönheit jeder einzelnen Nase, vermöge welcher eine Nase höher rangirt als die andere und einen höheren Werth hat, lediglich von den knorpeligen und muskulösen Theilen derselben herrühre, in deren Kanäle und Höhlungen das Blut und die animalischen Geister durch die Wärme und Kraft der Phantasie getrieben werden, welche letztere nur einen Schritt davon entfernt liege (außer bei Blödsinnigen, die, wie Prignitz, der viele Jahre in der Türkei gelebt hatte, annimmt, unter der unmittelbaren Obhut des Himmels stehen) – daher kommt es, sagt Prignitz, und kann gar nicht anders sein, daß die Trefflichkeit der Nase in einem direkten arithmetischen Verhältniß zur Trefflichkeit der Phantasie ihres Inhabers steht.
    Aus demselben Grunde – das heißt, weil doch Alles in Slawkenbergius schon enthalten ist – sage ich auch nichts von Scroderus (Andrea), der wie alle Welt weiß sich in heftige Opposition gegen Prignitz stellte; – und auf seine Art zuerst logisch und dann durch eine Reihe unerschütterlicher Thatsachen bewies, daß Prignitz mit seiner Behauptung: die Phantasie ziehe die Nase, weit von der Wahrheit entfernt sei, indem im Gegentheil die Phantasie aus der Nase erwachse.
    Die Gelehrten hatten Scroderus im Verdacht, daß er sich hierin einen unanständigen Sophismus erlaube, – und Prignitz behauptete in dem darüber entstandenen Streite laut, Scroderus habe ihm jene Idee nur angedichtet; – allein Scroderus fuhr fort seinen Satz zu behaupten.
    Mein Vater war gerade in der Schwebe, für welche der zwei Ansichten er sich entscheiden sollte, als Ambros Paräus in einem Nu die Sache entschied, die beiden Systeme von Prignitz und Scroderus über den Haufen warf und meinen Vater mit einem Schlag aus beiden Lagern vertrieb.
    Man muß nämlich wissen –
    Ich sage dem gelehrten Leser nichts Neues – wenn ich diese Mittheilung mache; – ich

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