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Lebendig und begraben

Lebendig und begraben

Titel: Lebendig und begraben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Finder Joseph
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und umarmte mich. Marcus war noch fetter geworden und trug sein Haar anders. Als ich ihn das letzte Mal gesehen hatte, war er fast kahl gewesen, und hatte sein graues Resthaar bis auf den Kragen herabhängen lassen. Jetzt war sein Haar braun gefärbt, mit einer leicht orangefarbenen Nuance, und auf den ehemals kahlen Stellen auf wundersame Weise wieder nachgewachsen. Ich wusste nicht, ob er ein Toupet trug oder sehr gute Implantate hatte.
    Er trug einen blauen Bademantel über einer Pyjamahose und hatte dunkle Ringe unter den Augen. Er wirkte erschöpft.
    Marcus ließ mich los, drückte mir kurz die Faust auf meine Brust und trat dann zurück, um mir ins Gesicht zu blicken.»Nun sieh dir das an … Jedes Mal, wenn ich dich treffe, siehst du besser aus. Dabei warst du schon attraktiv genug! Du wirst einfach nicht älter. Hast du einen Deal mit dem Teufel geschlossen, Nicky? Hängt irgendwo auf deinem Dachboden ein Porträt mit deinem hässlichen Alter Ego?«
    »Ich lebe in der Stadt«, erwiderte ich. »Da gibt es keine Dachböden.«
    Er lachte. »Du bist nicht verheiratet, hab ich recht?«
    »Bis jetzt konnte ich das vermeiden.«
    Er legte eine Handfläche auf meine Wange und gab mir eine liebevolle Ohrfeige. »Mit so einer Visage musst du dir wahrscheinlich die Mädchen mit einem Stock vom Leib halten.« Er versuchte vergeblich, gute Laune zu verbreiten, aber ich ließ mich davon nicht täuschen. Er legte mir seinen pummeligen Arm um die Taille, weil er nicht bis zu meinen Schultern kam. »Ich danke dir, dass du gekommen bist, Nickeleh, mein Freund. Ich danke dir.«
    »Das ist doch selbstverständlich«, erwiderte ich.
    »Neu?« Er deutete mit einem Nicken auf meinen Wagen.
    »Ich habe ihn schon eine Weile.«
    Ich fahre einen Landrover Defender 110, ein kastenförmiges Auto, das praktisch unzerstörbar ist. Die Fenster muss man von Hand hoch- und runterkurbeln, die Sitze sind steinhart. Der Wagen ist nicht sonderlich gemütlich, und es ist drinnen ziemlich laut, wenn man schneller fährt als dreißig Meilen pro Stunde. Aber es ist der beste Wagen, den ich je besessen habe.
    »Ich liebe den Wagen. Ich habe während einer Safari in der Serengeti einen dieser Wagen gefahren. Zehn Tage lang. Annelise, Alexa und ich. Die Mädchen hassten Afrika natürlich. Haben sich die ganze Zeit über die Insekten beschwert, über den Gestank der Tiere und …« Marcus’ Lächeln erlosch unvermittelt, und seine Gesichtszüge schienen ihm zuentgleiten, als hätte es ihn ausgelaugt, die ganze Zeit die Fassade aufrechterhalten zu müssen. »Ach, Nick«, flüsterte er, während sich seine Miene vor Schmerz verzerrte. »Ich bin fast wahnsinnig vor Angst.«

6. KAPITEL
    »Wann hast du das letzte Mal etwas von Alexa gehört?«, wollte ich wissen.
    Wir saßen in dem einzigen Raum im Erdgeschoss, der den Eindruck machte, als würde er benutzt; der großen, L-förmigen Essküche, in der gemütliche Stühle standen, die mit weichen, cremefarbenen Schonbezügen bedeckt waren. Der Ausblick aus den Fenstern war spektakulär. Die stahlblauen Wogen von Cape Ann schlugen gegen die felsige Küste.
    »Gestern Nacht ist sie nach Boston gefahren. Belinda hat sie erzählt, sie käme später zurück. Belinda nahm an, damit meinte sie gegen Mitternacht. Vielleicht ein Uhr, zwei Uhr morgens, falls sie sich gut amüsierte.«
    »Wann war das? Wann hat sie das Haus verlassen?«
    »Am frühen Abend, glaube ich. Ich war gerade auf dem Rückweg von der Arbeit.«
Marcus’ Capital Management
erstreckte sich über ein ganzes Stockwerk in einem der neuen Gebäude auf Rowes Wharf, das ich von einer Ecke meines eigenen Büros aus sehen konnte. Schon als Mom seine Assistentin war, hatte er lange gearbeitet, was er vermutlich immer noch tat. Er ließ sich jeden Morgen von einem Chauffeur nach Boston bringen, der ihn auch jeden Abend zurück nach Manchester chauffierte. »Als ich nach Hause gekommen bin, war Alexa bereits weg.«
    »Was hat sie in Boston gemacht?«
    Er seufzte, was fast mehr wie ein Stöhnen klang. »Ach, siehat immer Party gemacht, die Kleine. Ist immer ausgegangen, in Discos oder wohin auch immer.«
    Disco.
Ich konnte mich nicht mehr daran erinnern, wann ich dieses Wort das letzte Mal gehört hatte. »Ist sie selbst gefahren? Oder hat eine Freundin sie mitgenommen?«
    »Sie ist selbst gefahren. Sie fährt sehr gern Auto. Sie hat an ihrem sechzehnten Geburtstag ihren Führerschein bekommen. Damals war sie gerade in Exeter, so dass ich an ihrer Stelle das

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