Lebendig und begraben
und rissige Leder gepresst. Der Wagen roch nach abgestandenem Zigarettenrauch und schalem Bier. Ein paar leere Flaschen rollten auf dem Wagenboden umher. Es war ein Porsche, dessen war sie sich ziemlich sicher, aber er war alt, ungepflegt und schmuddelig. Jedenfalls war es kein Auto, das ihrer Meinung nach zu Lorenzo passte.
»Weißt du, wie du dorthin kommst?« Sie versuchte diese Frage zu stellen, aber ihre Worte kamen kaum verständlich aus ihrem Mund.
Sie fühlte sich wie seekrank und hoffte, dass sie nicht auf den Rücksitz von Lorenzos Porsche kotzte. Das wäre wirklich eklig.
Aber, fragte sie sich, woher weiß er, wohin er fahren muss?
Auf einmal hörte sie, wie sich eine Wagentür öffnete und schloss. Der Motor war abgestellt worden. Warum hielt er schon so bald an?
Als sie die Augen öffnete, merkte sie, dass es dunkel war. Keine Straßenlaternen. Und auch kein Straßenlärm. In ihrem benebelten Hirn schrillten irgendwo, schwach und weitentfernt, die Alarmglocken. Wollte er sie etwa hier lassen? Wo waren sie überhaupt? Was hatte er vor?
Jemand näherte sich dem Porsche. Es war zu dunkel, als dass Alexa das Gesicht der Person hätte erkennen können. Sie sah nur die Umrisse einer großen und muskulösen Gestalt.
Die Tür wurde geöffnet, die Innenraumbeleuchtung flammte auf und erhellte das Gesicht des Mannes. Sein Kopf war vollkommen kahl rasiert; er hatte stechende blaue Augen und ein kantiges, stoppeliges Kinn. Er sah gut aus. Bis er lächelte und bräunliche, kleine Rattenzähne zeigte.
»Kommen Sie bitte mit«, sagte das Muskelpaket.
Alexa wachte auf dem Rücksitz eines großen, brandneuen SUV auf. Ein Escalade oder ein Navigator.
Es war warm im Wagen, fast heiß. Und es stank nach billigem Raumspray.
Sie warf einen Blick auf den Hinterkopf des Fahrers. Er hatte kurz geschorenes, schwarzes Haar. Aus dem Kragen seines Sweatshirts kroch ein seltsames Tattoo über seinen Nacken. Erst dachte sie: wütende Augen. Vielleicht ein Vogel?
»Was ist mit Lorenzo passiert?«, wollte sie fragen. Aber sie selbst konnte nicht erkennen, welche Laute da eigentlich über ihre Lippen kamen.
»Legen Sie sich hin und ruhen Sie sich aus, Alexa«, riet ihr der Mann. Er hatte einen Akzent, aber einen härteren, gutturaleren als Lorenzo.
Ausruhen war irgendwie eine gute Idee. Sie spürte, wie sie eindöste, doch im nächsten Moment begann ihr Herz rasend schnell zu schlagen, als hätte ihr Körper es bereits begriffen, lange bevor es zu ihrem Verstand durchgedrungen war.
Er kannte ihren Namen. Ihren richtigen Namen.
3. KAPITEL
»Folgendes«, erklärte der kleinwüchsige Kerl. »Ich weiß immer gern, mit wem ich Geschäfte mache.«
Ich nickte und lächelte.
Blödmann!
Würde Kleinwüchsigkeit von der modernen Medizin als das ernste psychische Problem anerkannt, das es zweifellos darstellte, würde in sämtlichen medizinischen Nachschlagewerken Philip Curtis’ Foto neben denen von Mussolini, Stalin, Attila dem Hunnenkönig und dem Schutzpatron aller kleinwüchsigen Tyrannen, Napoleon Bonaparte, stehen. Zugegeben, ich bin eins achtzig, aber ich kenne auch eine Menge großer Kerle mit der Kleinwüchsigen-Krankheit.
Philip Curtis war so klein und gedrungen, dass ich ihn vermutlich mit einer Hand hätte packen und durch das Fenster meines Büros hätte schleudern können. Mittlerweile war ich auch stark versucht, genau das zu tun. Er maß vielleicht zwei Fingerbreit über eins fünfzig, war vollkommen kahl und trug eine riesige Brille mit einem schwarzen Rahmen, von der er vermutlich annahm, sie würde ihm ein beeindruckendes Aussehen verleihen. Dabei wirkte er damit nur wie eine Schildkröte, die ihren Panzer verloren hatte und ziemlich genervt deswegen war.
Die Vintage Patek Philippe an seinem Handgelenk musste etwa sechzig Jahre alt sein. Was mir eine Menge über ihn verriet. Sie war das einzige wirklich Elegante an ihm und verkündete: »Altes Geld«. Diese Patek Philippe war ihm vermacht worden, vermutlich von seinem Vater.
»Ich habe Sie überprüft.« Er hob vielsagend die Brauen. »Ich habe meine verdammten Hausaufgaben gemacht. Ich muss schon sagen, Sie hinterlassen nicht viele Spuren.«
»Habe ich schon öfter gehört, ja.«
»Sie haben keine Website.«
»Ich brauche keine.«
»Sie sind nicht auf Facebook.«
»Mein Neffe ist auf Facebook. Genügt das?«
»Selbst bei Google taucht so gut wie nichts über Sie auf. Also habe ich mich umgehört, habe herumgefragt. Offenbar haben Sie eine
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