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Lebensabende & Blutbaeder

Lebensabende & Blutbaeder

Titel: Lebensabende & Blutbaeder
Autoren: Manfred Rebhandl
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Spezialität. Da soll sie aus so einer Flasche Marillenschnaps nicht alles herausholen?
    Soll sie ehrlich sein? Natürlich reicht auch bei der Anni das Einfühlsame und Weiche alleine nicht aus, um aus einer Episode etwas Ernsthaftes werden zu lassen. So einfach ist sie dann auch wieder nicht gestrickt, und nur auf der Gefühlssauce schwimmt sie schon gar nicht daher!
    Der Mallinger ist ja nicht der Einfache mit seinen nächtlichen Marienerscheinungen und seiner Angst vor dem heiligen Christophorus, der ihm immer den Schädel abreißen will. Und mit seinem Überbiss und seinem verbrannten Ohrwascherl schaut er ja auch nicht aus wie der junge Udo Jürgens. In ihren Augen spinnt der ja komplett mit seinen Heinz-Prüller-Formel-1-Büchern, die sie ihm immer extra Seite für Seite abstauben muss. Und dass ein bald 50-jähriger Mann kleine rote Matchbox-Autos sammelt, das will ihr auch nicht ins Hirn, wo er ja nicht einmal mehr einen Führerschein hat seit der Katastrophe damals und er ihr also nicht einmal die weite Welt bis Salzburg hinüber oder Linz hinauf zu Füßen legen kann!
    Es war schon diese spezielle Ausbuchtung in seiner Hose, die sie fasziniert hat. Diese gewisse gefällige Krümmung, die sich weithin sichtbar abgezeichnet hat und die einen Mann für eine Frau erst interessant und sexy macht. Dieses Versprechen starker Männlichkeit. Dieses Bündel Geldscheine, das er immer in seiner Cordhose zusammengerollt mit sich herumträgt. Gibt’s doch nicht, hat die Anni sich immer gedacht, dass so eine schöne Pension nicht für zwei reichen soll. Lächerlich, dass er damit nicht auch noch die Ausbildung von der Manu und der Jennifer bezahlen könnte. Eine wie sie kann ja von solchen Summen bestenfalls träumen. So viele Arbeitgeber sie nämlich hat – angemeldet mit Pensionsanspruch ist sie bei keinem. Da muss sie schon Danke sagen, wenn sie einmal in den Genuss der Mindestrente kommen wird. Wo aber bei der ein Genuss sein soll, das weiß weder die Anni noch die Bundesregierung, diese Bagage, nächstes Mal wählt sie wieder die Kommunisten!
    Die Anni setzt sich jetzt kurz auf die Bierkiste, die der Biermösel immer am Klo stehen hat. Sie raucht sich eine rote Pall Mall ohne Filter an. Die sind als Einzige in der Lage, das Gleichgewicht des Schreckens zu den Stinkereien des Biermösel wieder herzustellen. Sie hustet sofort einen gelbgrünen Schleimbrocken herauf und spuckt ihn in die Klomuschel hinein. Dort schwimmt er, und die Anni denkt sich: So schaut mein Leben aus, genau so! Wie ein grüngelber Schleimbrocken im Scheißhaus vom Biermösel.
    Da köpft sie noch eine Flasche aus der Lade vom Biermösel und leert sie in einem Zug bis zur Hälfte. Sie beobachtet wieder den Schleimbrocken und denkt dabei wieder an Selbstmord. Wie soll sie auch nicht ständig an Selbstmord denken, fragt sie sich, wenn sie immer nur die wertvolle Gmundner Keramik von den feinen Herrschaften abstauben darf und das Fischmesser polieren und das Sternparkett rauswischen!
    Wie nicht die Kommunisten wählen, wenn sie nichts hat außer Probleme hinten und vorne und einen drückenden Schuh links und rechts? Fehlt nur noch, dass sie sich als eine von den Gruppenpuppen im Puff von der gachblonden Discowirtin drüben in Goisern vorstellen muss, um sich die Butter aufs Brot zu verdienen, das fehlt gerade noch! Im Moment weiß sie wirklich nicht, wie sie das Messerset für die Manuela und die Jennifer verdienen soll, das die zwei in der Hotelfachschule drüben in Ischl brauchen.
    Gekränkt ist sie als Frau obendrein zutiefst, weil der Mallinger neuerdings einem komplett unrealistischen Frauenbild anhängt. Bevor sie ihn über den Verlust von der Hertha zu trösten begonnen hat, hat er zwar die Grobeinteilung von einem Frauenkörper gekannt. Aber wie eine nackte Frau bei Lichte besehen ausschaut, das hat er nicht gekannt, da war er defizitär.
    Seit bei ihm aber überall die Hochglanzmagazine herumliegen, sagt er ihr frecherdings, dass sie in seinen Augen nicht ausschaut wie ein Boxenluder.
    Herrgott im Himmel, das weiß sie selber auch! Sie ist halt keine blonde Sexpuppe mehr, sie ist jetzt eine ergraute Putzfrau! Ihre Nägel sind eingerissen; ihre Haut ist gerötet von all den Flüssigkeiten, mit denen sie dauernd in Berührung kommt; ihre Lungen sind von den Putzmitteln zersetzt; ihr Kreuz ist ruiniert; ihre Knie sind kaputt; ihr Geruchs- und Geschmackssinn unwiederbringlich zerstört.
    Am liebsten möchte sie den Biermösel bitten, dass er den
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