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Lebensbilder I (German Edition)

Lebensbilder I (German Edition)

Titel: Lebensbilder I (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Ihnen geteilt, nur um Sie um mich zu sehen! Wahrhaftig, ich liebe Sie einmal wie einen Sohn, und Sie! – vergeben Sie, es muß heraus! – Sie haben mir gerade die Schmerzen bereitet, die ein ungeratenes Kind seinen Eltern verursacht.« –- Die Alte war von diesen Worten so ergriffen, daß Raphael selbst dann ihr nicht hätte zürnen können, wenn er es auch gewollt.
    »Wäre doch jene Zeit!« rief er, »wo ich in meinem Stübchen droben lebte, wo Pauline früh mich weckte und mir das Frühstück brachte; ja! das möchte, wollte ich«, – rief er wild – »und diesen einzigen Wunsch versagt mir mein boshaftes Geschick!«
    »Vergeben Sie meiner Mutter«, – bat Pauline gutmütig – »es ist einmal so ihre Art, jeder Empfindung durch Schelten Luft zu machen, und der Freude, Sie wiederzusehen, müssen Sie ihre harten Worte vergeben.«
    »Nein, nein, ich fühle, wie sehr ich diese Vorwürfe verdiene«. – sagte er – »und kann meinen Fehler kaum dadurch wieder gut machen, daß ich mich ausschließlich der Sorge für Ihre und Paulinens Zukunft widme. – Ja, Pauline«, – wandte er sich zu ihr – »deshalb sehen Sie mich hier. Schönes Mädchen, je mehr ich Sie betrachte, desto geneigter bin ich, an Wunder zu glauben. Sie sind so ungewöhnlich schnell zur Jungfrau herangereift, erblüht in so milder Vollkommenheit, in aller Holdseligkeit lichter Herzensgüte – ein Wunder heißt, wo Gottes unmittelbare Schöpferhand eingriff in die natürliche Ordnung; die rohe, willenlose Natur hat Sie nicht geformt.«
    »Herr Raphael!« gebot Pauline verweisend und sanft errötend.
    »O Pauline, ich schmeichle nicht. Mein Leben ist so fürchterlich ernst, daß mir kein Atemzug zu einer albernen, erniedrigenden Galanterie übrig bleibt. Ihre Mutter war es, die bei unserm unverhofften Wiedersehen, nach langer Trennung, den Anfang machte, zu sagen: was wir für einander fühlen und voneinander denken; ich folge ihrem Beispiel. – Pauline! Sie wissen, welch allseitiges Staunen Ihr flüchtiges Erscheinen gestern im Theater erweckte, – doch was rede ich von dem rohen Erstaunen der Menge? Pauline, ein Unglücklicher sah Sie, und Ihr Bild war ihm ein Trost für sein gequältes Dasein. Höchstens ein Jahr hat er noch zu leben, doch gebietet er über Millionen. Er hat nicht Freunde noch Verwandte, weiß keinen, der ihm gleich empfindet, und keinen, der ihn liebt. Dieser Unglückliche möchte Sie zur Erbin seiner fürstlichen Reichtümer machen, wenn Sie sich entschließen, mit Ihrer Nähe sein einziges Lebensjahr ihm zu versüßen. Sei es als Gattin, Schwester, Tochter, Freundin, nur Ihr Wille gilt. Der Unglückliche, von dem ich rede, hat keinen Willen, sondern nur Ergebung in sein Geschick und in den Tod.«
    Madame Gaudin schlug die Hände zusammen. »Ist es möglich, Herr Raphael, reden Sie wahr? Doch in solchen Angelegenheiten scherzt man nicht.«
    Pauline schien von diesen Reden lief gekränkt. Sie sah Raphael mit schmerzlichem Befremden an, wie ein holdes, gutes Kind, das sich empfindlich beleidigt sieht und weder begreifen kann, woher es die Kränkung verdient, noch wie man zu solch einem Vorsatz kommt.
    »Ach, teures, liebes Kind!« rief die Mutter, »warum so betrübt dastehen? Höre nur Herrn Raphael an, er hat recht, du bist bezaubernd schön, und sicher hat er gut für dich gesorgt. Daß ich an dir noch solche Freude erleben werde! – Und nun können wir ja auch nach dem teuren Vater forschen und ihn aus den Eisgruben Sibiriens oder Indiens glühenden Zonen erlösen, und du, mein Mädchen, bist wieder eine Reichsbaronesse und, Dank sei es Herrn Raphaels Güte und deinen Anlagen, du machst keiner Gesellschaft Schande. Holdes Kind, als ich dich geboren und zum ersten Male an meine Brust legte, da sagten deine lieblichen Züge mir, du seiest zu einem herrlichen Lose ausersehen.« Sie hielt weinend inne.
    Pauline gewann die Sprache, und mit einem Tone schmerzlichen Vorwurfes, und indem ihre Lippen leise zuckten, als kämpfe sie gewaltsam wider das Weinen, begann sie: »Herr Raphael, jetzt hält's an mir, zu sagen, was ich denke und fühle! Ich sehe wohl, daß ich Ihnen auf unerklärliche Art zuwider bin, und daß Sie sich meiner entledigen, wo Sie mich finden. Als Sie hierher zogen, wandten Sie Ihr erstes Geld an, mich in eine Pension zu schaffen. Als Sie mich gestern im Theater trafen, sandten Sie mich in einer prächtigen Equipage heim. Kaum wissen Sie mich wieder in Paris, so eilen Sie, mich mit einem alten,

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