Lebensbilder I (German Edition)
Ninon de Lenclos erzählt, in die sich der eigene Enkel verliebte, der sich, als er nicht erhört wurde, tötete. In der Novelle Schiffs heißt der Rechtsgelehrte Albert, die Magd Lotte. Schon in diesen beiden Namen liegt die deutliche Bezugnahme auf Goethes Roman vor, und wie bei Goethe leben Albert und Lotte in glücklichster Ehe, ein Schiffs sonstiger Eigenart, die sich immer in tragischen Ausgängen gefiel, widersprechendes Ende.
Die Novellen dieses Bandes haben bei der zeitgenössischen Kritik stärksten Beifall gefunden, der einigermaßen überraschen kann. Schiff eroberte sich jetzt einen ersten Platz in der damaligen Novellistik; man konnte sich kaum genug tun, ihn laut zu preisen. Außer dem »Phönix« (Literaturblatt 1835, Nr. 50) waren namentlich die »Literarischen und kritischen Blätter der Börsenhalle« aufs stärkste bemüht, seiner dichterischen Persönlichkeit gerecht zu werden. »Glück und Geld« gab sogar zweimal ausführlichen Anlaß, Schiffs literarische Wirksamkeit zu charakterisieren, wobei ein Referent seine Kunst unter die Tiecks stellte, der zweite hoch über diese.
Im Jahrgang 1836, Nr. 1236 urteilte Ph. von Leitner: »Die Novellen Schiffs sind immer problematischer Natur. Schiff kämpft gegen die Wirklichkeit, gegen das Leben, das ihm durchaus klein und erbärmlich erscheint, er bekämpft den Egoismus. Seine Novellen spielen immer im kleinen bürgerlichen Leben, die Liebe tritt nur weichlich und unkräftlg auf, oder sie erhält einen Beisatz, wodurch sie lächerlich und abgeschmackt wird. Er erinnert in stärkster Weise an Tieck, wiewohl dieser alles mehr auf die Spitze treibt und deshalb schärfer und markiger, dadurch auch interessanter und anregender ist. Es vereinigt sich bei Schiff, wie auch, aber in höherer Weise, bei Tieck, die Vorliebe für die Schilderung der engsten Verhältnisse der Gegenwart mit der Neigung für das Märchen, worin er sich auch schon mit viel Glück versucht hat, und diese Neigung für zwei scheinbar entgegengesetzte Gegenstände kann nur durch einen Sprung von einem Extrem ins andere ermöglicht werden. Die Charaktere weiß Schiff gut zu nuancieren und durchzuführen; hie und da fällt freilich ein Zug auf, der sich mit den übrigen nicht zu reimen scheint. Ton und Stil sind elegant und zierlich, die Ironie fein, der Verfasser kennt die kleinsten Details im Leben und weiß, sie mit Glück zu benutzen und auszumalen, die Verwicklung ist einfach und ungezwungen, sowie die Entwicklung ursprünglich und ungesucht ist.«
Auf einen völlig anderen Ton war ein Aufsatz von F. von Florencourt (ib. 1838, Nr. 1500) gestimmt: »Schiff hat bisher keine Anerkennung gefunden. Und doch ist er bei der heutigen Armut unserer Literatur eine so seltene als erfreuliche und erquickliche Erscheinung. Was die Novelle vor allem auszeichnet, ist die lebensfreundllche. poetische Stimmung seines Gemütes. Bei anderen fließen die Novellen mühsam, so bei Sternberg und – ich wage dies auszusprechen – die meisten Novellen Tiecks.« Florencourt meint dann, daß es ohne poetische Gegenstände kein poetisches Gemüt und ohne poetisches Gemüt keine poetischen Gegenstände gebe. Beides müsse sich durchdringen, ineinander verweben und zusammenleben, daß es völlig eins werde. Diese Forderung erfülle Schiffs Dichtung, diese Forderung erfüllten Tiecks Novellen nicht. Er erhebt dann auch weiter noch Schiff immer gegenüber Tieck, nur findet er, daß Schiffs Gedanken nicht so geistreich seien wie die Tiecks, seine Empfindungen nicht so tief wie die Jean Pauls. «Aber er hat Gedanken, er hat Empfindungen, er gibt Charaktere. Am meisten Ähnlichkeit hat er mit Hoffmann. So keck und kräftig wie dieser legt er freilich seine Zeichnungen nicht an, aber Darstellung und Lebensauffassung hat viel Verwandtes. Die Schilderung des häuslichen Lebens einer Tischlerfamilie in »Glück und Geld« ist so drollig und wahr, daß mir ein Lächeln über das Gesicht fliegt, so oft sie mir in Erinnerung kommt.« –
Eine zweite im Jahre 1836 erschienene Novelle »Die Ohrfeige« ist wegen ihres merkwürdigen Schicksals einigermaßen interessant. Während sie bei der Kritik starken Beifall fand (vgl. z. B. »Blätter für Literatur und bildende Kunst« [Beilage zur »Abendzeitung«] 1836. Nr. 38; »Literarische und kritische Blätter der Börsenhalle«, 1836, Nr. 1236), wurde von dem Buche kaum
ein
Exemplar abgesetzt; erst als B. S. Berendsohn das Werk dem »Magazin für Buchhandel« abkaufte und es
Weitere Kostenlose Bücher