Lebensbilder I (German Edition)
(gegen Schiffs Willen) unter einem neuen Titel:
»Linchen oder Erziehungsresultate«
1841 neuerdings erscheinen ließ, eroberte es sich das Publikum. Dem Verfasser schwebte die Idee vor, die Pädagogik seiner Zeit zu ironisieren. Leider ist dieser zweifellos glückliche Gedanke wenig durchgeführt. Nur ein einleitender Brief, in dem sich Schiff über Erziehungsfragen ernst ausspricht, kann interessieren, die Fabel läßt völlig kalt. Schiff schildert einen jungen Menschen, Heinrich Wolters, der immer gehofmeistert wird, niemals aufhört, ein Kind zu sein und alles über sich ergehen lassen muß. bis ihn endlich die Ohrfeige seines Erziehers zum Manne macht. Dieses Thema hätte eine konsequente ironische Behandlung sehr gut vertragen, wie etwa Kurz-Bernardon und Hensler im »Dreißigjährigen A-B-C-Schützen« mit demselben Sujet verfuhren. Schiff schwankt aber in der Verfolgung seines Zieles beständig hin und her zwischen Ernst und Satire, wodurch sich niemals ein einheitlicher Eindruck ergibt.– –
Nur
ein
Jahr litt es Schiff in Hamburg. 1837 und 1838 lebte er zuerst bei Verwandten in Ostfriesland, später in Emden. Namentlich der ostfriesische Aufenthalt ist für seine Entwicklung von der weitestreichenden Bedeutung. Hier fand er nämlich innerlich einigermaßen den Weg zum Judentum zurück, das er äußerlich bisher nicht aufgegeben hatte.
Wagenseils
merkwürdiges Buch »Die Kunst, hebräisch lesen zu lernen«, das er in Aurich bei einem Bankier aufstöberte, ergriff ihn so, daß er sich darin vertiefte und nun der Gedanke in ihm reifte, die Sagen der Juden zu sammeln und herauszugeben. Schon anfangs 1837 taucht in einem von Eduard Maria
Oettinger
in Hamburg herausgegebenen »Argus« (Nr. 1) die Nachricht auf, daß »der von dem Häringschen ›Freimütigen‹ längst totgesagte Dr. Schiff in Emden einen jüdischen Gil Blas vollende, der im nächsten Jahre bei Hoffmann und Campe erscheinen werde«. Vorläufig bestand indessen nur der Plan zu einem derartigen Werke, die Ausführung ließ noch auf sich warten, wahrscheinlich deshalb, weil Schiff mit seinen katholisierenden Neigungen noch nicht fertig war. Zu dieser Vermutung berechtigt die Tatsache, daß er 1838 sein vielleicht reifstes und echtestes romantisches Werk erscheinen ließ, die Märchennovelle
»GevatterTod«
(1838 bei Hoffmann und Campe). Goedeke hat »Gevatter Tod« Schiffs bestes Werk genannt, ein Urteil, dem man nicht zur Gänze beipflichten kann. Dieser »Gevatter Tod« verwebt eine Fülle alter Märchenmotive in von Schiff neu erfundene. Doch sind die ersteren weitaus besser und vor allem glaubhafter und künstlerischer. Schon der Doppeltitel «Märchen-Novelle« ist eigentlich ein Unding, weil sich märchenhafte Züge mit novellistischen nur sehr schwer vereinbaren lassen. So leidet denn Schiffs Komposition an den stärksten innerlichen Gebrechen, zumal sein unseliger Hang, Binnenerzählungen zu schaffen, hier am ärgsten ausartet. Immer wieder schiebt er eine Erzählung in eine andere und diese beiden in eine dritte. Eine Übersicht, ein Auseinanderhalten der Figuren der einzelnen Erzahlungen ist dadurch kaum möglich.
Mit einem ergreifenden Bilde setzt die Geschichte ein: Der Tod bei der Taufe eines Kindes. Dieses Märchenmotiv aus den Grimmschen »Kinder- und Hausmärchen« hat Schiff glücklich abgeändert. Weniger gelang ihm dies bei der Verwendung eines alten Sagenmotivs: Die Erscheinung des ewigen Juden ist verfehlt, zumal sie nicht im Zusammenhang mit dem Ganzen steht und mit diesem nur sehr lose verknüpft ist. Die gespenstische Figur der Ahnfrau ist eine schlechte Kopie der Grillparzerschen. Am unheilvollsten für das Werk ist freilich, daß Schiff sich krampfhaft bemüht, Tiecks novellistische Manier nachzubilden, womit er völlig in die Irre geht. Er führt einen kräftigen, leidenschaftlichen Ritter vor. der aber am Ende der Märchen-Novelle (ebenso wie die Helden in Tiecks Novellen der Dreißigerjahre) seine Kraft und Leidenschaft verliert und ganz in Weichlichkeit versinkt. Schiffs gefühlvoller Humor, der sonst so durchschlagende Wirkung übt, ist hier zu unpoetischer Ironie herabgesunken, die alles zerstört, was schön und heilig ist. Rühmenswert ist nur die eingelegte Lyrik, vor allem das prächtige Schmiedelied [Fußnote: Vgl. auch das ablehnende Referat in den »Literarischen und kritischen Blättern der Börsenhalle«. 1838, Nr. 1593. ] .
Dieses schwer entwirrbare Werk hat Schiff immer als sein bestes angesehen.
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