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Lebensbilder I (German Edition)

Lebensbilder I (German Edition)

Titel: Lebensbilder I (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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die er in der Nähe von Kirchhöfen empfand. Auf Spaziergängen mußte man ihnen ausweichen, wenn man ihn heiter erhalten wollte. Er konnte nicht begreifen, wie ein vernünftiger Mensch hingehen, sich auf Gräber setzen, die Inschriften lesen und mit geistiger Wollust der Gestorbenen gedenken könne. Daß es geschieht, hielt er für eine Krankheit der Zeit, die ihn besonders in Berlin anwiderte.
    Als Kritiker war er oft ungerecht, wie er denn überhaupt nur traf, wo er eine verwandte Natur fand. Da aber sind seine Kritiken schlagend und dabei Meisterwerke in der Form.....Am unglücklichsten, ja, recht verloren kam er sich in der jüngst vergangenen Periode politischer Aufregung vor. Hier fehlten ihm die gewöhnlichsten Begriffe, und während er im romantischen Zauber seiner sinnlichen Naturwelt fortwebte, sah er sich immer mehr außer Verständigung gesetzt mit seinen Freunden, deren Sinnen und Treiben von den Weltbewegungen affiziert und geleitet wurde. Vergebens arbeitete er, zu einem Verständnis zu kommen. Die Politik und er waren nicht Pole, sondern sich abstoßende Elemente. Es klingt wie eine Parodie, daß Dr. Schiff einst in seiner Jugend ein halbpolitisches Wochenblatt in Hamburg redigiert hat. Doch war es der Fall. In seiner treuherzigen Gutmütigkeit bekannte er aber selbst, daß ihm der Eigentümer gekündigt habe, weil er Artikel verwechselt und die Interpunktion als Nebensache außer acht gelassen hatte. Es passierte auch später wohl, daß er ein Buch rezensierte und in seiner Zerstreutheit den Titel eines andern über die Kritik setzte.
    Nächst der Politik war ihm das klassische Altertum verschlossen. Er begriff nicht, wie man von Homer entzückt sein könne. Alles, was sich dem Klassischen in Auffassung und Form näherte, ließ ihn ebenso kalt, als das sentimentale Element ihn anwiderte. Mit Schiller und was ihm anhing, konnte er sich nie befreunden. Gegen Raupach war er animos. Man rechne seine Ausfälle gegen diesen verdienten Dichter nicht, wie einige wollen, einem boshaften Gemüt zu: der Naturmensch Schiff hielt es für Pflicht, zu hassen, was ihm schlecht erschien, und das christliche und Moralprinzip der Liebe gegen unsere Feinde war ihm unverständlich. »Was wollt ihr denn an mir putzen?« sagte er. »Ich bin nun einmal, wie ich geboren wurde, und ihr solltet euch freuen, wenn ihr in eurer Kulturwelt noch einmal einen Menschen findet, der kein Produkt der Nildüng ist.«
    Doch wäre es ungerecht, ihm in der Poesie einen Mangel an Fortbildung vorzuwerfen. Seine letzteren Novellen spielen in den feinsten Lebensnuancen der geistig bewegten bürgerlichen Welt, während seine früheren Dichtungen sich nur unter dem Moosschatten der romantischen bewegten. Er schildert hier Menschen und Verhältnisse mit einem so wahrhaften Pinsel, als man es einem Dichter, der wenig in jenen Kreisen sich behaglich fühlte, nicht zutrauen sollte. Aber die Wurzel, aus der jene wie diese Erzeugnisse hervorwuchsen, ist dieselbe. Aus der Physik der Empfindungen erzeugen sich hier wie dort seine Menschen. Nur soweit das Empfindungsvermögen reicht, läßt er sie handeln, sprechen und ist wahr. Ein richtiger Takt leitet ihn auch hier, nie über seine Sphäre hinauszugehen. Seit der Bearbeitung des Balzac hatte er sich in die sogenannte Romantik des Familienlebens hineinreißen lassen; glücklicherweise verließ er jedoch schnell diesen glatten, schlüpfrigen Weg. In dieser Blasiertheit der Gefühle ist das Feuer des echten Naturlebens längst erloschen, wie prasselnd auch die Flammen dann und wann herausschlagen.
    Schwerlich konnte ein angehender Schriftsteller sich weniger durch sein persönliches Auftreten empfehlen, als es Schiff tat. Nicht daß diese Persönlichkeit abschreckend gewesen wäre, im Gegenteil hatten seine Züge etwas Edles, seine Gestalt war von Natur wohlgebildet. Aber er besaß die Kunst, alle diese Züge zu verwischen, und der Zufall spielte gewiß immer mit, was zu seinem Vorteil sprechen sollte, zu seinem Nachteil ausschlagen zu lassen. Zu einem Mann, der auf Eleganz hielt, kam er gewiß in einem dicken Mantel, bis an die Zähne zugeknöpft, und setzte sich so zu ihm auf das Sofa....
    Es liegt in der Natur der Sache, daß ein so ungewöhnlicher Mensch nur von wenigen verstanden werden konnte, und daß die gar zu befremdende Außenseite auch solche abhielt, ihn zu würdigen, welche sonst nicht gewohnt sind, nach dem Schein zu urteilen. Daraus will ich die wenige Anerkennung ableiten, die Schiff bis

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