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Lebensbilder I (German Edition)

Lebensbilder I (German Edition)

Titel: Lebensbilder I (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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motiviert.«
    Diese Auseinandersetzung (weniger mit Immermann als mit der ganzen poetischen Richtung seiner Zeit) beweist, wie sehr sich Schiff über die gesamte, völliger Dekadenz stark zustrebende Literatur der ausgehenden Dreißigerjahre klar war. Mit einem der angesehensten Wortführer hatte er in der Immermann-Rezension abgerechnet; nun ging er noch um einen Schritt weiter und legte mit rücksichtsloser Schärfe die Schäden bloß, die Heine , der Tonangebendste dieser Periode, verschuldet hatte. Sein Gelegenheitswerk »Shakespeares Mädchen und Frauen« lieferte ihn den willkommenen Anlaß dazu. Wie sehr Schiff Shakespeare verehrte, hatte er bereits im »Elendsfell« dargelegt; in einer Rezension der von Philipp Kaufmann besorgten Übersetzung der dramatischen Werke (»Gesellschafter«, 1834, Nr. 20) und in »Glück und Geld«, der drei Jahre vor der Heinerezension erschienenen Novelle, hatte er seiner schwärmerischen Verehrung für den englischen Dichter ausführlichen Ausdruck gegeben. Schon in »Glück und Geld« geht er vom »Kaufmann von Venedig« aus, den er außerordentlich fein analysiert. Um so abstoßender mußte ihn Heines oberflächlicher Kommentar berühren, gegen den er mit erbarmungslosester Rücksichtslosigkeit ankämpft. (»Hallische Jahrbücher«, 1839, Nr. 160–161).
    Er nennt Heines Erläuterungen eine der originellsten Literaturtorheiten, die es irgend gebe. Wenigstens seit langer Zeit habe sich keine Torheit so dreist und großartig hingestellt wie Heines jüdischer Kosmopolitismus und die abgedroschene Hohlheit dieser Erläuterungen, die nur Heines ausgepumpten Wißborn, keineswegs aber Shakespeare erläuterten. Ja, diesmal sei Heine redlich gewesen. »Er gibt sich, wie er ist, und sagt mit aller Unwahrheit nur die Wahrheit: daß er nichts mehr zu sagen hat.«
    Die scharfe Stellungnahme Schiffs gegen Heine erklärt sich aus verschiedenen Ursachen, vor allem aus der, daß dieser den »Kaufmann von Venedig« gegen des Rezensenten Überzeugung als Tragödie aufgefaßt hatte. Von Christenhaß wollte Schiff in dem Stück nichts sehen, weil Shakespeare ebensogut als Türkenfeind angesehen werden müßte, wenn man die Gestalt des Prinzen von Marokko betrachte. Heine lasse Shakespeare das angebliche Wagnis, Juden auf die Bühne zu bringen, entgelten. Darin wollte Schiff keinen Frevel sehen; er sträubte sich mit aller Macht dagegen, in Shakespeare Shylocks wegen einen Judenhasser zu erkennen. Heine habe nur sein jüdischer Kosmopolitismus, der Schiff höchst verächtlich erscheint, verleitet, so sehr die tiefen dichterischen Absichten Shakespeares zu verkennen, dessen Shylock übrigens auch kein Schreier für jüdisches Menschenrecht sei, als den ihn die Schauspieler meistens auffaßten.
    Aus dem heftigen Angriff Schiffs ergeben sich wichtige Schlußfolgerungen für seine Stellung zum Judentum. Er hatte noch immer nichts dafür übrig, obwohl er sich gerade in dieser Zeit mit der Sammlung jüdischer Volkssagen lebhaft beschäftigte. Aber sein Herz hing fest am Christentum, das warm zu preisen, er nimmermüde war. Noch zweimal kam er auf den »Kaufmann von Venedig« zurück, immer aber blieb er sich in der Darlegung seiner Anschauungen über das Stück gleich. In einem Aufsatze des »Komet« (Literaturblatt, 1844, Nr. 20) »Thema mit Variationen aus Shakespeares Kaufmann von Venedig« und in »Heinrich Heine und der Neuisraelitismus« (Seite 68 ff., wo er übrigens nur eine weitläufige Paraphrase seines Jahrbücheraufsatzes gab) betonte er ebenfalls offen seine Abneigung, das Stück im antijüdischen Sinne auszudeuten, was Shakespeare, »dessen Größe eine mythische sei, dessen Werke auf dem Gipfel des Menschenmöglichen stünden«, niemand zutrauen dürfe. Dagegen hat er für Heine auch hier nur Worte tiefster Gegnerschaft; seine Berühmtheit sei eine zweifelhafte und dürfte leicht eine Berüchtigtheit sein.
    Der redlich gemeinte Jahrbücher-Aufsatz, der über Veranlassung Arnold Ruges geschrieben worden war und Schiff ein Dankschreiben des Herausgebers der »Jahrbücher« eintrug, hatte die bösesten Folgen. Die Rezension wurde übel aufgenommen und machte Schiff und die Jahrbücher mißliebig. »Ihr Artikel hat den Jahrbüchern mehr Schaden getan als Nutzen gebracht«, meinte Ruge und gestattete eine weitere Mitarbeit Schiffs nicht.
    So war ihm also wieder eine Türe verschlossen worden. Mit vollem Unrecht, kann man heute wohl sagen. Gewiß war der Angriff auf Heine sehr stark und

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