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Lebensbilder I (German Edition)

Lebensbilder I (German Edition)

Titel: Lebensbilder I (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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und verflacht ist alles. Kein Mensch denkt selbst mehr, sondern läßt sich vom breiten Strome der Majorität treiben. Kein Kritiker hat was gelernt, kein Künstler hat Schule. Alles naturalisiert.
    Vielleicht ist jetzt meine Zeit gekommen, doch das werden Sie besser wissen als ich, da Sie ein kluger Verleger sind, welcher den Puls des Lesepublikums stets zwischen den Fingern hat. Heine fand es unbegreiflich, daß die deutsche Kritik keine Notiz von mir nimmt. Und Sie werden mir einräumen, daß meine Schriften mit den Jahren nicht verlieren und ich immer noch eine Persönlichkeit bin, von der es sich der Mühe lohnt, zu reden.
    Wie aber spricht man von mir?
    Nicht nur in Hamburg, sondern, wie ich glaube, auch in Dresden heißt es, ich sei im Säuferwahnsinn verstorben, als gänzlich unwürdig meiner Schillervereinspension.
    Daß man so von mir reden zu dürfen glaubt, ist einzig und allein die Schuld meiner hiesigen Herren Verleger, welche mich vernachlässigen. Sie kaufen mir meine Manuskripte ab und lassen sie ungedruckt im Pulte liegen, statt sie in die Welt zu schicken.
    Seit den »Aristokraten« (J. F. Richter, 1859) ist nichts von mir erschienen. Jetzt muß ich mich endlich einmal wieder rühren und zeigen, daß ich noch vorhanden bin.
    Eugen Richter als Nachfolger von J. F. Richter hat dies eingesehen und aus freien Stücken sich verpflichtet, alles, was er von mir liegen hat, zu drucken.
    Von Herrn Julius Campe wünsche ich, daß der Kern und Glanzpunkt meiner lebenslänglichen Schriftstellertätigkeit zutage gefördert werde, nämlich:
    Engel, Tod und Teufel – Legenden von Hermann Schiff – (ohne Doktortitel).
    Lieber Campe! Vierzig Jahre lang kennen wir uns, und das sind nur vierzehn Bogen. Wenn Sie auch durch mich nicht reich geworden sind, so haben Sie doch wenigstens keinen Schaden an mir gehabt. Sie werden also fühlen, daß Sie diesen für den Augenblick sehr wichtigen Dienst einem armen, alten, greisen Autor nicht versagen dürfen, damit er, über seine Lebenstätigkeit beruhigt, an sein dereinstiges Dahinscheiden denken kann.
    Soll ich mündlich oder schriftlich Antwort haben?
    In Freundschaft
    Dr. Hermann Schiff.
    Hamburg, den 14. Januar 1865.
    Erfolg war dem Schreiben keiner beschieden. Diese »Legenden« erschienen nicht. Campe wollte von dieser Neubelebung der romantischen Dichtungen Schiffs nichts wissen. Dagegen war es ihm möglich, in Richters Verlage noch zwei Werke erscheinen zu lassen, die deutlich wieder unter romantischem Einflusse stehen. Das eine ist eine sehr konfuse Geschichte »Selbstbekenntnisse eines Gesinnungsflohes«. Schiff polemisiert darin eingangs gegen das »junge Deutschland«, geht davon aber bald ab und läßt die Erzählung in eine sehr flache Liebesgeschichte ausmünden. Das Verhältnis zwischen einem deutschen Dichter und einer Putzmacherin gleicht völlig dem zwischen Raphael und Pauline im »Elendsfell«. Hier wie dort lesen die beiden Dichter den Mädchen ihre Erzeugnisse vor und werden von diesen nicht verstanden. Wie diese Liebesgeschichte aus eigenen literarischen Reminiszenzen besteht, so finden sich auch persönliche darin, u. a. eine Erinnerung an den Leipziger Freund Herloßsohn, von dessen schönem Liede »Wenn die Schwalben heimwärts ziehen« Schiff schwärmt.
    Auch sein letztes Werk, das Kaprizzio, »Das Mondstück« ist nur von Anklängen an frühere Schriften erfüllt. »Das Aprilmärchen«, »Des Teufels Schwabenstreich« (ein Bild soll nach persönlichen Bedürfnissen zurechtgerichtet werden), sogar »Höllenbreughel« feiern hier ihre traurige Auferstehung.
    Das Werk ist die letzte Ausgeburt einer längst abgetanen Romantik. Ahnungsvoll hat es Schiff auf dem Widmungsblatte als sein »vielleicht letztes« bezeichnet. Er täuschte sich nicht. In der Nacht vom 1. auf den 2. April 1867 starb er, ohne daß jemand bei seinem Ableben anwesend gewesen wäre. Wie im Leben und Streben, war er auch im Sterben einsam. Erst am Morgen des 2. April fand man ihn entseelt in seinem Bette. Er wurde auf dem jüdischen Hamburger Friedhofe begraben, was er in seinem Leben wohl nie erwartet hätte. Zwar wurde vermutet (vgl. »Freischütz« 1867, Nr. 42), daß er zum Christentum übergetreten sei, da sich aber keine positive Nachricht, vor allem kein Taufschein vorfand, erklärte sich die deutschisraelitische Gemeinde bereit, den Leichnam auf ihrem Friedhofe bestatten zu lassen.
    Schiffs letzte Lebenstage waren durch ein paar wohlwollende Anerkennungen verklärt

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