Lebensbilder I (German Edition)
1865.) Die verschiedenen Formen der Aristokratie, Geld-, Geistes-, Geburtsadel, werden darin geschildert, und unter dem Namen Brausewald charakterisiert sich Schiff selbst. Er ist durch finstere Kabalen gezwungen worden, aus der Residenz zu fliehen, und wird von einem Grafen auf sein Schloß genommen, wo er seine Damenphilosophie schreibt, d. h. richtiger: abschreibt, indem er ein Tagebuch des Grafen, das philosophische Themen bespricht, abschreibt und unter dem Namen des Grafen herausgibt. Das Buch erregt Aufsehen und erwirbt nach vielen Unannehmlichkeiten dem Grafen die Gunst eines reichen Judenmädchens, das er heiratet.
In dem zweiten Teile des Romans ist eine Episode «Die schöne Beterin« (schon 1852, Nr. 92–98 in der »Reform« unter dem Titel »Thusnelda« veröffentlicht) von besonderem Interesse.
Ein Maler Castor verliebt sich in Thusnelda, die Tochter eines Konditors, und malt sie als Beterin, sie verlieben sich ineinander und verloben sich heimlich: der Vater des Mädchens hat im voraus seine Zustimmung gegeben, daß es heiraten dürfe, wen es wolle. Diese Geschehnisse der Episode verflechten sich wie im »Wilhelm Meister« (Episode von der schönen Seele) mit den Vorgängen des Romans. Bankier Ruhland verkehrt bei dem Konditor und will Thusnelda heiraten. Ihr Bild kommt in die Kunstausstellung, macht höchstes Aufsehen (Motiv der »ballspielenden Katze«) und bringt dem Maler ein vierjähriges Reisestipendium. Der Vater sieht die Werbung Ruhlands gerne und zettelt eine Intrige ein, um das Mädchen von Castor abzubringen, indem er ihn bewegt, ihm das Preisbild zu verkaufen und heimlich abzureisen, ohne seine Braut wiederzusehen. Der schwache Mensch geht darauf ein, da er glaubt, der Konditor meine es ehrlich mit ihm. Dieser läßt einen Abschiedsbrief des Malers fälschen, worin dieser Thusnelda aufgibt und ihr rät, sich einen reichen Mann zu nehmen. Sie glaubt den Betrug, und als sie ihr Vater eines Tages öffentlich ohrfeigt, wird sie Ruhlands Gattin, da sich dieser ihrer annimmt und auch das Bild Castors an sich gebracht hat. Als der Maler auf der Reise nach Paris von der Heirat Thusneldas hört, begeht er Selbstmord. Nach Jahren, als Thusneldas Vater gestorben ist, entdeckt sie den echten Abschiedsbrief des Geliebten, was sie beinahe tötet. Sie wird indes gesund und lebt fortan nur ihrer Tochter, deren Heirat mit ihrem geliebten Baron sie durchsetzt.
Der Roman ist unendlich kompliziert und buntscheckig. Viele historische Reminiszenzen sind in die Handlung verflochten, ebenso national-ökonomische Exkurse über die Macht des neuerstandenen Geldadels, der sich alte Adelsgeschlechter untertänig macht. Ein stark konservatives Empfinden Schiffs geht daraus hervor; noch immer schwärmt er für das Altdeutschtum und seine Romantik und Ritterlichkeit, die er durch die neue Zeit stark gefährdet sieht. Sogar für den Fürsten Clemens Metternich hat Schiff, nur weil er der treueste Bekenner des konservativen Staatsgedankens war, Sympathie.
Seine noch immer nicht behobene materielle Notlage ließ ihn aber bei diesen Gesinnungen nicht lange verweilen. Er verfeindete sich mit Richter, den er in einer Broschüre und in Zeitungsaufsätzen sehr hart mitnahm [Fußnote: Eine Karikatur auf Schiff in der »Reform« (1860, Nr. 41) hatte den Anlaß gegeben. Schiffs Angriffe in seiner Broschüre »Der Hamburger Michel«, im »Freischütz« und im »Nordstern« (1860, Nr. 61 und 62) gehören zu seinen rüdesten Ausfällen. ] , und wurde am 1. September 1860 Redakteur eines Hamburger Blattes, das unverhüllte sozialdemokratische Tendenzen zur Schau trug. Es ist »Der Nordstern«, dessen Feuilleton Schiff unter Mitwirkung seines alten Freundes Bernhardi ein paar Monate redigierte. (September bis Dezember 1860.) Von seinen Beiträgen verdienen zwei hervorgehoben zu werden. »Die Reitpeitsche« (freie Phantasie von einem Augenzeugen, »Nordstern«, 1860, Nr. 50) ist eine sehr lustige Satire auf die Novellen Sacher-Masochs, verquickt mit der Schilderung einer Hamburger Skandalgeschichte. Eine Sängerin will einen ihrer Anbeter, der verheiratet ist, in einem öffentlichen Lokale züchtigen, trifft ihn aber, weil er den Zigarrenrauch nicht verträgt, nirgends an [Fußnote: Von einer Sängerin Albina di Rhona und einem Baron Schlechta berichteten damals Hamburger Blätter eine ähnliche Geschichte. ] . Die Humoreske ist voll sprudelnden Witzes und offenbart nach längerer Zeit wieder Schiffs kaustische Drastik.
Im geraden
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