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Lebenslang Ist Nicht Genug

Titel: Lebenslang Ist Nicht Genug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Fielding
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die Klobrille und preßte den Revolver gegen die weiße Porzellanschüssel. In ihrem Kopf hämmerte und pochte es. Sie konnte froh sein, daß sie den Kater nicht mehr erleben würde.
    Das Telefon klingelte.
    Zuerst glaubte sie, das Geräusch komme aus ihrem Kopf, aber nach dem vierten Läuten wußte sie, daß jemand anderer dafür verantwortlich war. Sie überlegte einen Augenblick, der ihr wie eine Ewigkeit erschien, ob sie es einfach ignorieren sollte, doch dann beschloß sie abzunehmen. Ihre letzten Worte. Sie rappelte sich auf und wankte an den Apparat im Schlafzimmer.
    »Hallo?« lallte sie und versuchte, sich an der Bettkante aufrecht zu halten.
    »Gail?«
    Es war Jack. Sie wollte sich räuspern, verschluckte sich dabei fast und konnte nur mit Mühe die Augen offenhalten. »’n Abend, Jack«, brachte sie endlich heraus. Wenn ich doch bloß nicht so betrunken wäre, dachte sie.
    »Ist alles in Ordnung? Du klingst so komisch. Hab’ ich dich geweckt?«
    »Ich bin betrunken.«
    Es herrschte Schweigen in der Leitung. »Verdammt noch mal«, fluchte er schließlich leise. Es klang aufgeregt, aber nicht wütend. »Bist du allein?«
    »Aber ja.« Gail bemühte sich, zusammenhängend zu sprechen. »Zu Hause alles in Ordnung?«
    »Ja, alles bestens. Ich hab’ mit Jennifer telefoniert. Ihr geht’s gut.«

    »Fein.«
    »Gail, ich möchte, daß du heimkommst.«
    »Nein.« Sie schüttelte den Kopf und sah zu, wie das Zimmer Karussell fuhr.
    »Dann komme ich und hole dich.«
    »Nein, Jack, bitte nicht.«
    »Ich finde, du solltest jetzt nicht allein sein. Es war dumm von mir, einfach abzureisen. Ich dachte wohl, ich könne dich mit Gewalt zur Vernunft bringen, aber...«
    »Ich weiß. Bitte, gib dir nicht die Schuld.«
    »Ich kann dich nicht verstehen, Gail. Du nuschelst so.«
    Gail war erstaunt. Sie hatte sich eingebildet, recht deutlich zu sprechen. »Bitte, gib nicht dir die Schuld«, wiederholte sie langsam.
    »Ich fliege morgen runter.«
    »Nein, Jack. Bitte nicht. Das brauchst du nicht. Es ist fast vorbei.«
    »Was? Ich verstehe dich nicht.«
    »Ich will nicht nach Hause«, sagte Gail laut. »Jack...«
    »Ja, was ist?«
    »Ich möchte...« Sie schluckte mühsam. Ihre Kehle war furchtbar trocken. Sie brauchte ein Glas Wasser. »Ich möchte, daß du die Scheidung einreichst.« Sie wußte, daß eine Scheidung für einen Witwer reichlich überflüssig war, doch sie wollte ihm die Schuldgefühle ersparen, so gut es ging.
    »Gail, du bist betrunken. Jetzt ist nicht der Zeitpunkt für...«
    »Ich will, daß du dich von mir scheiden läßt.«
    »Ich liebe dich, Gail.«
    Der Hörer drohte ihrer zitternden Hand zu entgleiten.
    »Ich liebe dich auch«, murmelte sie an der Sprechmuschel vorbei.
    »Wie? Was hast du gesagt? Ich kann dich nicht verstehen.«
    »Ich muß jetzt auflegen, Jack.«
    »Gail...«

    Sie ließ den Hörer auf die Gabel fallen. »Ich brauche ein Glas Wasser«, sagte sie laut und stolperte ins Bad. Sie drehte den Wasserhahn auf und trank in großen, gierigen Schlucken. Ihr fiel ein, daß sie den Revolver auf dem Bett liegengelassen hatte. »Zu blöd«, schimpfte sie laut und tastete sich an der Wand des schmalen Flurs entlang zurück ins Schlafzimmer. Also wird Jack mich finden, dachte sie, beugte sich übers Bett und griff nach der Waffe. Ihre Knie stießen gegen die niedere Kante, und sie fiel vornüber. Als ihr Kopf auf die weiche Steppdecke sank, berührte sie mit der Schläfe die Mündung des Revolvers, und ihr letzter Gedanke vor dem Einschlafen war die Frage, ob es ihr gelungen sei, abzudrücken.
     
    Das Klingeln schien von weit, weither zu kommen, und deshalb machte sie sich gar nicht erst die Mühe, die Augen zu öffnen. Die Ereignisse der letzten Nacht fielen ihr ein. Sie begriff blitzartig, daß es Morgen sein müsse, und schlug die Augen auf. Sie war nicht tot. Der Revolver hatte zwar dicht neben ihrer Schläfe gelegen, war aber nicht abgefeuert worden. Sie hatte sich so betrunken, daß sie den Abzug nicht mehr betätigen konnte. Nirgends war Blut zu sehen. Seltsamerweise hatte sie auch keinen Kater. Vielleicht, dachte sie, als sie nach dem Telefon tastete, um das Klingeln abzustellen, vielleicht bin ich doch tot.
    »Hallo«, sagte sie und setzte sich auf.
    »Gail!« Jacks Stimme klang laut und eindringlich. Nichts mehr von dem zögernden Ton der letzten Nacht. »Hör mir zu. Kannst du mich verstehen?«
    »Ja.« Sie war wütend auf sich und auf ihr Versagen. Ich habe einen Revolver, dachte sie, aber

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