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Lebenslang Ist Nicht Genug

Titel: Lebenslang Ist Nicht Genug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Fielding
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daß sie seit Cindys Tod nicht mehr sie selbst gewesen sei. Laura würde sich Vorwürfe machen wegen ihrer unangebrachten Äußerungen;
Nancy würde sagen, sie habe versucht zu helfen, aber Gail habe ja nie angerufen. Sie würde nicht zur Beerdigung kommen, doch gewiß ein riesiges Bukett schicken. Laura würde Jack und Jennifer etwas zu essen machen. Ihre Eltern würden zuerst wie betäubt sein, aber dann würde Gails Tod sie vielleicht wieder zusammenführen.
    Und Jennifer? Der Selbstmord ihrer Mutter würde sie niederschmettern, sie würde ihr Leben lang darunter leiden, würde sich die Schuld geben, genau wie Gail sich schuldig gefühlt hatte an Cindys Tod. Wenn sie nur dies getan und jenes unterlassen hätte. Schuld - die sinnloseste und zugleich verbreitetste aller menschlichen Empfindungen. Gail betete, daß es Mark und Julie gelingen möge, Jennifer zu helfen, sie zu überzeugen, daß niemand Schuld trug am Tode ihrer Mutter. Alle hatten sich doch so sehr um sie bemüht.
    Und Jack. Was würde er empfinden? Was würde sie ihm antun? Wie Jennifer würde auch er sich die Schuld geben. Wenn er sie nicht verlassen hätte, wäre das nie geschehen. Nicht, wenn er bei ihr geblieben wäre und ihr freundschaftlich zur Seite gestanden hätte, wie es immer sein Wunsch gewesen war.
    Aber das stimmte nicht, und Gail hoffte, Jack werde das mit der Zeit einsehen. Sie wußte, daß er nie vorgehabt hatte, sie zu verlassen. Er hatte nur gehofft, dieser letzte verzweifelte Schritt werde sie zur Vernunft bringen, sie zwingen einzusehen, was sie allen Nahestehenden antat, vor allem sich selbst.
    Sie sah Jack vor sich, wie er auf ihrem Bett in Mrs. Mayhews Haus in Cape Cod gesessen hatte. Was hatte er gesagt? Etwas über Cindys Mörder. Laß ihn uns nicht alles wegnehmen. So etwas Ähnliches.
    Ich drehe mich im Kreis, dachte sie, rieb sich die Stirn und goß sich noch ein Glas Wein ein. Sie war schon ein bißchen beschwipst und mahnte sich zur Vorsicht. Wenn sie mit dem verdammten Revolver auf ihren Kopf zielte, wollte sie schließlich nicht danebenschießen und den Duschvorhang treffen.

    Gail stolperte zum Schrank, holte das Schächtelchen mit den Geburtstagskerzen und nahm acht Stück heraus - eine für jedes Lebensjahr und die überzählige als Glücksbringer. Sie stellte sieben Kerzen rings um den Rand auf und plazierte die glückbringende achte in der Mitte. Sie suchte in den Schubladen nach Streichhölzern, fand schließlich eine Schachtel mit der Reklame eines Restaurants namens »Banana Boat«, riß ein Streichholz an, schaffte es aber nur, eine einzige Kerze damit anzuzünden, ehe es abbrannte. Sie brauchte ein Streichholz pro Kerze. Dann brannten endlich alle acht. »Wünsch dir was«, befahl sie sich laut und gehorchte: »Ich wünschte, ich wäre tot«, sagte sie.
    Mami, wenn wir sterben, können wir’s dann zusammen tun? Hältst du mich dabei an der Hand? Versprichst du’s mir?
    Sie blies die Kerzen aus. Aber die in der Mitte wollte nicht erlöschen.
    Sie schnitt sich ein kleines Stück von dem Kuchen ab, aß es rasch auf und spülte es mit dem restlichen Wein hinunter. Dann saß sie da und starrte den kleinen schwarzen Revolver an, der soviel schwerer war, als er aussah, und soviel gefährlicher.
    Sie nahm ihn in die Hand und hielt ihn sich an den Kopf. Durch die Schläfe oder durch den Mund? Es war eine schwierige Frage, aber eine sehr wichtige. Steckte sie sich die Waffe in den Mund, bestand die Möglichkeit, daß die Kugel die falsche Richtung nahm und in ihrem Schädel steckenblieb. Dann würde sie vielleicht erblinden, aber nicht sterben, würde im Koma landen, aber nicht im Grab. Nein, das Risiko war zu groß. Sie hob die Waffe an die Schläfe.
    Dann begann sie zu lachen. Sie warf den Kopf zurück und ließ den Revolver auf den Tisch fallen. »Kugeln«, sagte sie laut. »Mit Kugeln schießt sich’s besser.« Sie stolperte zur Anrichte und holte das Päckchen mit der Munition. In ihrem Kopf drehte sich alles, auch das Zimmer schwankte. Mit zitternder Hand griff sie nach der Waffe, hob sie dicht vor die Augen und steckte in jede der neun Kammern eine kleine tödliche Kugel, genau wie Irv es
ihr gezeigt hatte. »Feuer frei«, sagte sie und hielt sich den Revolver wieder an die Schläfe.
    Sie mußte auf die Toilette.
    Kannst du nicht warten? fragte sie ihre Blase, wußte aber, daß es sinnlos war. Als sie aufzustehen versuchte, fiel ihr ein, daß sie sowieso vorgehabt hatte, es im Bad zu tun.
    Sie setzte sich auf

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