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Lebenslang Ist Nicht Genug

Titel: Lebenslang Ist Nicht Genug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Fielding
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fehlte.
    Plötzlich ging ihr ein Licht auf: Brenda! Sie hatte gar kein Geräusch gehört. Das war nur eine raffinierte List gewesen, die sie sich ausgedacht hatte, um in Gails Zimmer gehen und ihr Geld stehlen zu können. Gail hatte ihr gesagt, daß ihre Tür offenstehe und ihre Handtasche auf dem Bett liege. Großer Gott, sie hatte ihr sogar anvertraut, daß sie genügend Ersparnisse für ein paar Wochen habe!
    Ich gebe einen schönen Detektiv ab, dachte Gail, während sie die Treppe hinunterhastete, um Brenda aufzuhalten. Sie hatte sich eingebildet, wichtige Informationen zu sammeln, doch in Wirklichkeit war es Brenda gelungen, alle wesentlichen Details aus ihr herauszuholen und sich mit über hundert Dollar aus dem Staub zu machen.
    Auf der Straße war weit und breit kein Mensch. Der Himmel sah nach Regen aus. Der Wetterbericht hatte schon einen ungewöhnlich strengen Winter prophezeit. Gail fröstelte in ihrer dünnen Bluse. Sie machte kehrt und ging ins Haus zurück.
    Er beobachtete sie vom Treppenabsatz aus. Sie war zuerst so in Gedanken versunken, daß sie ihn gar nicht bemerkte. Sie machte sich Vorwürfe. In Zukunft würde sie vorsichtiger sein müssen. Sie beschloß, alles, was sie nicht unbedingt brauchte, daheim zu lassen. Den Führerschein würde sie in ihre Hosentasche stecken und ständig bei sich tragen. Sie blickte auf und sah ihn am Geländer lehnen.
    »Oh!« Sie versuchte zu lächeln, doch ihr war unbehaglich zumute. »Haben Sie mich erschreckt! Ich hab’ Sie gar nicht bemerkt.«
    Er schwieg.
    »Kalt hier draußen, nicht?« Sie rieb sich die Hände. »Das Radio hat Regen angesagt.«

    Er schwieg noch immer, sah sie nur unverwandt an, und Gail fragte sich, ob er sie von den Zeitungsfotos her kannte, ob er der Mörder ihres kleinen Mädchens war. Sie sah ihm fest in die Augen. Sag es mir, befahl sie ihm stumm. Mich kannst du nicht belügen.
    Aber sein Blick war leer und verriet ihr nichts. Im nächsten Moment kam er die Treppe heruntergerannt und drängte sich wortlos an ihr vorbei. Gail hörte ihn die Tür öffnen, spürte die kalte Zugluft im Rücken, dann fiel die Tür ins Schloß, und sie stand wieder allein im Treppenhaus. Während sie noch um Luft rang, drang aus Roseannes Apartment das monotone Geleier des Fernsehers an ihr Ohr. Langsam stieg sie die Treppe hinauf.
    Es hätte schlimmer kommen können, dachte sie und versuchte, das düstere Bild des Jungen zu verdrängen. Brenda hätte sie schon vor dem Mittagessen ausnehmen, oder der Parkwächter hätte statt morgens erst abends kassieren können. Was hätte sie dann gemacht? Ich wäre mit knurrendem Magen zu Fuß zurück nach Livingston gegangen, versuchte sie sich aufzuheitern.
    Auf dem ersten Treppenabsatz machte sie halt und blickte den Flur entlang. Die Tür zum Zimmer des Jungen zog sie an wie die geheimnisvolle Tür in einem Alptraum. Wie ein surrealistisches und zugleich erschreckendes Bild schien sie völlig losgelöst ein paar Zentimeter über dem Boden zu schweben. Zaghaft machte Gail einen ersten Schritt darauf zu. Bei jedem weiteren Schritt redete sie sich ein, dieser Junge sei höchstwahrscheinlich nicht Cindys Mörder. Trotz seines merkwürdigen Benehmens und des wissenden Ausdrucks in seinen Augen hielt sie es kaum für möglich, dem Täter gleich im ersten Haus, in dem sie ihr Glück versuchte, über den Weg zu laufen. Andererseits hatte sie ja schon im Juli mit ihrer Suche begonnen, und mittlerweile war es Oktober geworden. Dieses Haus hatte sie sorgfältig ausgesucht. Er könnte es sein, dachte sie, als sie die Hand auf die Klinke legte. Er könnte es sein.
    Die Tür war natürlich abgeschlossen. Gail war darüber enttäuscht,
aber auch erleichtert. Nicht jeder war so dumm wie sie und ließ sein Zimmer offen, so daß bequem ein ungebetener Gast hineinspazieren konnte.
    »Ach du meine Güte!« entfuhr es ihr laut, als ihr einfiel, daß sie genau das schon wieder getan hatte: Ihre Tür stand weit offen, und der Inhalt ihrer Handtasche war einladend auf der schäbigen blau-geblümten Tagesdecke ausgebreitet. Sie lief hinauf in den zweiten Stock.
    Gail fand das Zimmer genauso vor, wie sie es verlassen hatte. All ihre Sachen waren übers Bett verstreut. Als sie ihre Papiere durchsah, stellte sie erleichtert fest, daß nichts fehlte. Sie nahm die weiße Basttasche und räumte alles wieder ein - Lippenstift, Bürste, eine Packung Tampons, die Wagenschlüssel, ihre Brieftasche mit Führerschein und Kreditkarten.
    Ihr Blick fiel auf

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