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Lebenslauf zweiter Absatz

Lebenslauf zweiter Absatz

Titel: Lebenslauf zweiter Absatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Kant
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dafür – so süß und verbindlich sie auch bei diesem Geschäft sein mochte, heute stand sie hier als die Sachwalterin einer Ziege und deren für die Jahreszeit so ungewöhnliches Anliegen und ließ sich auch mit dem Hinweis auf den Ernst und die Dringlichkeit der Stunde nicht abweisen.
    Mitten hinein in die Debatte über Naturgesetze und die Satzungen des Kleingärtnervereins tönten die Klänge des Hohenfriedbergers. Der Festzug kam heran.
    Meine Mutter zerrte Fräulein Senkenblei und ihreZiege hinter das Haus und rief nach der Königin, denn ihr Hofstaat nahe. Max pinselte wie rasend den letzten Blumenkasten an, und ich sah, daß er immer nur die Vorderseiten der Kästen geweißt hatte, Adje Hüller raffte das restliche Heu vom Boden und sagte mehrmals »Schietkroom«, Schadder klemmte einen Zweig des blühenden Rhododendrons so unter einen Stein, daß er die Regentonne verbarg, mein Vater zeigte, daß er sich auf seinen Beruf verstand, und harkte und fegte in Rekordzeit die Straße und den Weg sauber, ich kletterte auf das Dach und rückte die Schornsteinhaube gerade und sah mit halbem Blick, wie Alida vom Garten Tante Ellas her durch die Hecke brach und sich mit ihrem zerwuschelten Haar und einem weißen Verband um den Oberarm hinter den Schattenmorellen verkroch. Mein Vater rief den anderen Männern zu, sie sollten sich schleunigst in die Laube begeben, denn er verstehe gar nicht, wie man bloß so dreckig herumlaufen könne, und er sagte noch, er fordere es im Namen der Krone. Von der Hofseite her hörte ich die Stimme meiner Mutter, die Fräulein Senkenblei und ihre Ziege beschwor, sie möchten sich noch einen Augenblick gedulden.
    Dann wogten Fahnen und Kränze und bunte Kleider auf der kleinen sandigen Straße, und eine gelbe Kutsche hielt vor unserer Haustür.
    Die Leute im Festzug waren ruhig geworden und sahen neugierig über die Ligusterhecke in unseren Garten.
    Mochten sie nur! Da war jetzt alles in Ordnung. Die Blumenkästen glänzten in frischem Weiß, der Rhododendronbusch verbarg mit rosig leuchtenden Blüten die rostige Regentonne, auf dem Wege lag kein Stein mehr, niemand konnte meinen Vater und die anderen Männeroder die Frauen mit der Ziege sehen, und keiner sah den empörend strubbeligen Kopf meiner kleinen Schwester Alida hinter dem Kirschenspalier. Es war alles in Ordnung – bis auf den dünnen Faden Heu vielleicht, der in dem Heckenrosenbogen über der Pforte hing und leise im Winde schaukelte.
    Aber außer mir sah das niemand. Die Blicke der Leute ruhten auf der Königin Judith, die erlöst und erwartend zugleich im weißen Kleide vor der offenen Haustür stand.
    Die Königin war wunderschön, und sie war ganz allein.

DER GLASBERG
    Ein ärgerer Auftrag war nicht zu denken: Ich sollte im Hause Buttewegg einen Kurzschluß beseitigen. Aber was sage ich da, einen, es ging um den Kurzschluß im Hause Buttewegg, es ging um den berüchtigten Fehler, der bereits drei angesehene Elektromeister um ein Stück ihres Rufs gebracht hatte.
    Zu sagen, die ganze Stadt habe von diesem Schaden gewußt und darüber gesprochen, wäre eine unzulässige, wenn auch verständliche Übertreibung, aber soviel kann ich behaupten: In den besseren Kreisen von Paren munkelte man über den periodisch auftretenden technischen Defekt bei Butteweggs in gerade jenem Ton, den man sonst nur für Berichte über menschliches Versagen in Reserve hielt, für Geschichten um Alimenteklagen zum Beispiel oder um die Frau des Apothekers, die ihres Mannes Kakteensammlung verkaufte, weil sie dringend zu Geld kommen mußte, seit ihr Gatte ein Schloß an die Lade mit dem Morphium gehängt hatte.
    Schuld an der Publizität seiner Sache war Theodor Buttewegg selbst. Was auch immer einen Kunden in sein Kontor geführt oder einen Bekannten zu einem Plausch an der Straßenecke veranlaßt haben mochte – unausweichlich sah er sich alsbald über die Tatsache ins Bild gesetzt, daß die Familie Buttewegg seit Monden einer mit unberechenbarer Tücke auf- und abtretenden Zwangsverdunkelung ausgeliefert war.
    »Gerade«, konnte Buttewegg dann sagen, »gerade habeich den Finger auf den Durchstecher im Wirtschaftsbuch der Haushälterin gelegt, da passiert es wieder, alles dunkel, und über dem Ärger der Kerzenansteckerei entfällt mir natürlich der verräterische Punkt, aber kaum bin ich bei diesem Flackerlicht der fraudulenten Ökonomin fast wieder auf die Schliche gekommen, was soll ich Ihnen sagen, kehrt der Strom in die Lampe zurück, und ich

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