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Lebenslust: Wider die Diät-Sadisten, den Gesundheitswahn und den Fitness-Kult (German Edition)

Lebenslust: Wider die Diät-Sadisten, den Gesundheitswahn und den Fitness-Kult (German Edition)

Titel: Lebenslust: Wider die Diät-Sadisten, den Gesundheitswahn und den Fitness-Kult (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Lütz
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Lebenswirklichkeit unserer Tage ist das höchste Gut wirklich die Gesundheit. Damit ist allerdings nicht die wichtige Frage beantwortet, ob Gesundheit eigentlich Spaß macht, ob sie die Lebenslust fördert, ob sie gar die Lebenslust ist oder ob sie die Lebenslust womöglich behindert.
    2. »Gesund ist, wer nicht ausreichend untersucht wurde«
    An dieser Stelle ist etwas Überraschendes zu vermelden. Zwar wird kaum ein Wort häufiger verwendet, heftiger beschworen und höher bewertet als die Gesundheit, doch weiß kein Mensch, was das eigentlich ist. Es scheint ein Geheimnis zu geben um die Gesundheit. Krankheiten, die hat man immer wieder abgegrenzt und bis in die letzten Einzelheiten klassifiziert, aber Gesundheit? Wie will man diesen scheinbar so selbstverständlichen Begriff definieren?
    Ist Gesundheit vielleicht einfach normal? Ist gesund der statistische Durchschnitt? Aber was ist bezüglich der Gesundheit der Durchschnitt? Schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts war ein berühmter Psychiater an der Frage gescheitert, was denn normale Intelligenz sei. Er rettete sich in die Statistik und erklärte angesichts weniger Genies und vieler Minderbegabter: »Normal ist leichter Schwachsinn.« Wenn man die Abendnachrichten kritisch registriert, scheint der ganz normale Wahnsinn des Weltgeschehens diesen Befund zwar nur zu oft zu bestätigen, dennoch konnte sich diese statistische Definition der Intelligenz verständlicherweise nicht durchsetzen. Statistisch werden wir auch der Gesundheit nicht beikommen.
    Eine andere Überlegung wurde von einem der großen Internisten in unserem Lande, Professor Rudolf Gross, in die Diskussion eingeführt. Die Praxis zeige, dass die Zahl der krankhaften Werte mit der Zahl der Untersuchungen zusammenhänge. Macht man bei jedem Menschen 5 Untersuchungen, sind vielleicht noch mehr als 95% gesund. Bei 20 Untersuchungen sind es nur noch 36% und bei 100 Untersuchungen ist mutmaßlich jeder Mensch krank. Da jeder krankhafte Wert weitere Kontrolluntersuchungen nach sich zieht, gibt es ab einem bestimmten Punkt kein Halten mehr. Daraus folgt: Gesund ist, wer nicht ausreichend untersucht wurde.
    Wenden wir uns also auf der Suche nach Rat an das zuständige Amt, so gibt es zweifellos kein Amt, das für Gesundheit zuständiger ist als – die Weltgesundheitsorganisation WHO. Man sollte meinen, wenigstens diese mit höchster, letzter und universaler Autorität ausgestattete Behörde wisse genau, worum sie sich zu kümmern hat. Nun gibt es da aber eine Schwierigkeit. Irgendwie ist auch eine Behörde nur ein Mensch, und Menschen sind verletzbar. Die Weltgesundheitsorganisation leidet unter dem Geburtstrauma, dass alle anderen wichtigen Weltorganisationen für die gesamte Weltbevölkerung, sie selbst aber nur für einen Teil derselben zuständig ist, nämlich für die Kranken.
    Das hat diese Behörde nicht rasten und nicht ruhen lassen in dem Bemühen, diese Kränkung zu überwinden. Und sie hatte Erfolg. In einem glänzenden semantischen Coup ist es ihr gelungen, Gesundheit als »Zustand völligen körperlichen, seelischen und sozialen Wohlbefindens« zu definieren. Das war die Lösung! Da man allgemein davon ausgeht, dass soziales Wohlbefinden nur gegeben ist, wenn man etwa eine Million Dollar auf dem Konto hat, Millionäre aber bekanntlich voller Ungeduld stecken und sich somit seelisch nicht wohl befinden können, ist – von den körperlichen Beschwerden abgesehen, die bei allen Menschen letztlich sogar tödlich verlaufen – niemand mit Sicherheit als gesund zu bezeichnen. Mit diesem brillanten Schachzug ist es der Weltgesundheitsorganisation dann doch noch gelungen, für die gesamte Weltbevölkerung zuständig zu sein. Den Schaden davon behalten wir zurück, denn wir verfügen nun immer noch nicht über eine brauchbare Gesundheitsdefinition.
    Versuchen wir es also schließlich und endlich bei der Basis. Mit anderen Worten: Was sagt der gute alte Hausarzt auf die Frage, was denn eigentlich »gesund« sei? Wer, wenn nicht er, muss es wissen? Gesund, so antwortete mir ein älterer, erfahrener Kollege, sei ein Mensch, der mit seinen Krankheiten einigermaßen glücklich leben könne. Das ist es!
    Diese Definition wirkt zwar etwas glanzlos, aber sie ist seriös und die einzige Möglichkeit, unrealistische oder utopische Gesundheitsdefinitionen zu vermeiden und wenigstens eine Ahnung von wirklicher Gesundheit zu vermitteln. Damit taucht auch das Lebensglück und die Lust am Leben geradezu als

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