Lebenssonden: Roman (German Edition)
hat die ganze Zeit über Interkom zugehört.«
»PROM?«
»Ja, Robert.«
»Stimmst du mit der Einschätzung von Horace überein?«
»Ja, das tue ich. Meine Analyse der Datenbanken des Sternenschiffs ist fast zu dreißig Prozent abgeschlossen. Die Abfolge der Theorien, über die Gelehrter Price so ausführlich berichtet hat, ist gut dokumentiert. Die Schöpfer vermochten die FTL-Barriere erst zu überwinden, als sie erkannten, dass Zeit eine negative Größe ist.«
»Du meinst, als die Sternreisenden sie darauf hinwiesen, nicht?«
Der Computer zögerte – etwas, das Computer sonst nie tun. Als sie wieder sprach, klang sie ziemlich verhalten. »Ich wollte den Gelehrten Price nicht bei seinem Vortrag unterbrechen. Jedoch bin ich auf Daten gestoßen, die Sie sich meiner Meinung nach anschauen sollten, Robert.«
»Was für Daten?«
»Eine Fotografie.«
»Leg Sie auf den Bildschirm.«
»Es wäre besser, einen der großen peripheren Bildschirme zu verwenden.«
»Gut.«
Im Kontrollraum leuchtete plötzlich ein wandgroßer Monitor auf. Nach ein paar Sekunden visuellen Rauschens erschien eine Szene. Im Vordergrund waren mehrere Schöpfer mit unverständlichen Verrichtungen zugange. Im Hintergrund konnte man ein Schiff und ein großes Gebäude erkennen. Etwas an dem Gebäude zog Braedons Blick auf sich. Er brauchte eine Weile, um zu begreifen, was er da sah.
»Das ist der Raumhafen bei First Landing ! Schaut, dahinter ist Randall’s Ridge. Was hat das zu bedeuten, PROM?«
»Die Bedeutung ist klar, Robert. Ich habe diese Szene vor ein paar Minuten in den Datenbanken des Sternenschiffs entdeckt. Es zeigt deutlich die Forschungsbasis bei First Landing , als sie noch besetzt war.«
»Aber das bedeutet …«
»Dass die Schöpfer und die Sternenreisenden ein und dieselben sind«, ergänzte PROM. »Robert, es hat den Anschein, dass die Schöpfer den Sternenantrieb bereits entdeckt hatten, bevor Lebenssonde 53935 das Sonnensystem erreichte.«
60
Eine steife Brise fegte über den Betonbelag des Schöpfer -Raumhafens, zerrte an Robert Braedons Kleidung und zerzauste sein Haar. Der Himmel, der am Morgen noch klar und hell gewesen war, hatte sich am Nachmittag zugezogen, und es war kühl geworden. Braedon hatte die Änderung kaum bemerkt. Die dunklen, jagenden Wolken entsprachen seiner Stimmung zu gut, als dass er sie überhaupt zur Kenntnis genommen hätte. Es war vier Stunden her, seit er das Lager verlassen hatte. Die meiste Zeit war er ziellos herumgewandert, die Hände tief in den Taschen vergraben und den Kopf vor dem Wind gesenkt.
Braedon warf einen Blick in die Richtung des großen kugelförmigen Bergs, der das Schöpfer -Sternenschiff war. Sogar aus einer Entfernung von fünf Kilometern – die Distanz, die er während seiner Innenansicht zurückgelegt hatte – war das Schiff noch Ehrfurcht gebietend. Er ließ den Blick von dem Punkt, wo der mächtige weiße Rumpf die Wolkendecke durchstieß, zum Ensemble der winzigen Zelte an seiner Basis wandern. Braedon runzelte die Stirn. Auf halber Strecke zwischen ihm und dem Lager marschierte eine einsame Gestalt zielstrebig über die Ebene in seine Richtung. Trotz der Entfernung fiel es ihm nicht schwer, Chryse Hallers typischen Gang zu erkennen.
»Was führt Sie denn hierher?«, fragte er zehn Minuten später, als die Lücke zwischen ihnen sich geschlossen hatte.
»Ich habe Sie natürlich gesucht. Ich habe Neuigkeiten. Der Arzt hat Horace Price ruhig gestellt und bittet um Ihre Erlaubnis, ihn morgen gleich als Erstes zur Promise zu bringen.«
»Erlaubnis erteilt. Er kann die Sirenengesang nehmen. So hat Terra etwas zu tun und wird von ihren Problemen abgelenkt.«
»Und wer soll Sie von Ihren Problemen ablenken?«, fragte Chryse.
»Ich habe keine Probleme.«
»Wieso machen Sie dann ein Gesicht, als ob Sie gerade Ihren Lieblingshund erschießen mussten?« Chryse deutete auf eine kleine Blockhütte ein paar hundert Meter zu ihrer Rechten. Die Raumhafenebene war von solchen Gebäuden durchsetzt. Obwohl ihre Funktion noch nicht eindeutig identifiziert worden war, handelte es sich gemäß der »herrschenden Meinung« um Bunker, die empfindliche Instrumente vor der Witterung schützen sollten. »Hätten Sie etwas dagegen, wenn wir uns für ein paar Minuten diesem verdammten Wind entziehen? Die rechte Seite meines Gesichts ist schon seit einer halben Stunde ganz taub.«
Er berührte ihre Wange. Sie war eiskalt. »Sie hätten einen Anorak mit Kapuze anziehen
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