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Lebt wohl, Genossen!

Lebt wohl, Genossen!

Titel: Lebt wohl, Genossen! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: György Dalos
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Weinbrand sowie albanische Zigaretten die gähnend leeren Regale. Die alltäglichen Demütigungen im Konsumbereich spiegelten sich hier, ähnlich wie in Polen oder der Sowjetunion, im Volkshumor wider. Ein typischer Witz jener Zeit: Die zerstreute rumänische Hausfrau steht mit einer leeren Einkaufstasche vor der Tür ihrer Wohnung und fragt sich: «Wollte ich gerade einkaufen gehen, oder bin ich schon zurück?»
D IE NATIONALE D ESPOTIE – W IDERSTANDSVERSUCHE
    Mittels einer der üblichen Verordnungen konnten die Temperaturen der Fernheizungen in Rumänien auf ein Minimum reduziert werden, sodass die Zimmertemperatur im Winter auf zwölf Grad sank. Richtig «aufgeheizt» war lediglich die offizielle Propaganda mit ihrem extrem intoleranten Nationalismus, dessen Schärfe sich gegen die zwei größten Minderheiten –die Ungarn und die Deutschen – richtete. Neben der massenhaften Abwanderung von Banater Schwaben und Siebenbürger Sachsen sorgte das System dafür, dass vor allem das intellektuelle Milieu verschwand.
    Es ist geradezu verwunderlich, dass es auf der öden Bühne des öffentlichen Lebens Akteure gab, die bereit waren, die Rolle des Widerständlers zu übernehmen. Dafür brauchte man in Rumänien eine verzweifelte körperliche und geistige Rsikobereitschaft und sehr viel Mut. Die Methoden der Dissidentenverfolgung in der Ära Ceauşescu waren vielfältig und ausgeklügelt. Außer schikanösen Vorladungen «zur Klärung eines Sachverhalts» und gelegentlichen, immer seltener werdenden politischen Prozessen konnte man hier in psychiatrische Anstalten eingewiesen oder auf offener Straße von gedungenen Schlägertrupps verprügelt werden. Auch MorDDRohungen standen auf der Tagesordnung, und es mangelte nicht an mysteriösen Autounfällen. Manche Protestbewegungen, so zum Beispiel der Bergarbeiterstreik im Schiltal 1977, endeten mit dem spurlosen Verschwinden der Organisatoren. Die Geheimpolizei Securitate agierte wie ein Staat im Staate, konnte durch Drohung und Erpressung Hunderttausende Bürger, unter ihnen auch führende Intellektuelle, zu Spitzeln machen, konnte Freundschaften, Liebesbeziehungen, ganze Biografien vernichten. Sie schuf über die unmittelbar Verfolgten hinaus ein Klima der Rechtsunsicherheit und politischen Hysterie. Und weil man hinter jeder neuen restriktiven Maßnahme, hinter jeder Demütigung und Einschüchterung das schmale, farblose Gesicht des Conducators mit dem sauren Lächeln erblickte, gestaltete sich das Verhältnis zwischen ihm und der Nation allmählich zu einem Psychodrama, in dem sich offene Anbetung und geheimer Hass die Waage hielten.
    Besonders hart von Repressalien betroffen waren die beiden größten nationalen Minderheiten – Deutsche und Ungarn. Hier zeigte sich auch relativ früh der Widerstand einer kleinen intellektuellen Gruppe um Richard Wagner, Herta Müller, Rolf Bossert, Gerhard Csejka, Helmut Frauendorfer und William Totok. Nach einigen Jahren zähneknirschender Tolerierung begannen die Behörden eine regelrechte Jagd auf die «Rädelsführer» mit Haussuchungen, Verhaftungen und Publikationsverboten. Die Gruppe wurde bereits 1975 zerschlagen, und fast alle Protagonisten der rumäniendeutschen Literatur, dieses einzigartigen europäischen Phänomens, landeten früher oder später in der Bundesrepublik Deutschland. Das Austrocknen der rumäniendeutschen Literatur ging mit dem Exodusder realen und potenziellen Leserschaft einher: In den Achtzigerjahren verließen fast 100.000 Banater Schwaben und Siebenbürger Sachsen Ceauşescus Reich. Neben dem direkten Profit – Bonn zahlte im Durchschnitt 11.000 DM «Kopfgeld» pro Person – erhofften sich die Machthaber von der Auswanderung eine allmähliche Homogenisierung der sogenannten «zusammenwohnenden Nationalitäten».
    Als größtes Hindernis auf diesem Weg erwies sich die zwei Millionen starke magyarische Minorität. Der ungarisch-rumänische Beitrag zur Oppositionsbewegung wurde vor allem in der Samisdat-Zeitschrift
Ellenpontok
(= Kontrapunkte) geleistet. Die insgesamt neun Ausgaben dieses in Oradea 1983 erschienenen Journals im Umfang von 50–70 Seiten enthielten außer kritischen Informationen über das Leben der ungarischen Minderheit auch Schilderungen der sozialen und politischen Lage der rumänischen Mehrheit. Die Geheimpolizei mischte sich schnell ein, und alle Redakteure sahen sich durch die üblichen Schikanen schon bald zur Auswanderung gezwungen.
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