Lebt wohl, Genossen!
Naim Suleymanoglu, wurde von den «Umtäufern» des Politbüros dazu gezwungen, den bulgarischer klingenden Namen Naum Schalamanow anzunehmen. Auch er durfte nicht in die USA, wollte aber bei der nächsten Olympiade nicht mehr für sein Heimatland antreten. Nach einem Wettkampf in Australien 1986 verschwand er aus einem Chinarestaurant und ersuchte um politisches Asyl in der türkischen Botschaft. Zwei Jahre später trat er bereits unter der Halbmondfahne in Seoul an – Bulgarien erhielt dafür einen Ablass von einer Million Dollar vom türkischen Staat.
Schaufenster zu Zeiten des Warenmangels in Rumänien
Was an all diesen absurden Geschichten wirklich politisches Kalkül und was pure Willkür des Diktators Todor Schiwkow war, lässt sich heute schwer feststellen. Tatsache ist, dass die Parteiführung bis zuletzt dogmatisch und reformresistent blieb und nichts von den riesigen Problemen des Landes – dem ökologischen Notstand, der Übervölkerung der Großstädte, dem Niedergang der landwirtschaftlichen und industriellen Produktion – wissen wollte. Die Volksrepublik war ein brutaler Polizeistaat, in dem die Geheimdienste etwa 600.000 Bürger durch 100.000 Agenten und Zuträger bespitzeln ließen.
U NTER DER «S ONNE DER K ARPATEN» – R UMÄNIEN IN DEN A CHTZIGERJAHREN
Anders als Polen, Ungarn, Bulgarien und andere Ostblockstaaten verzichtete Ceauşescus Rumänien auf den Boykott der Olympischen Spiele und reiste weiterhin gerne gen Westen. Bei einem protokollarischen Anlass auf Schloss Brühl während einer Reise durch die Bundesrepublik im Herbst1984 musste der Diktator jedoch feststellen, dass auch er vom Westen zunehmend kritischer betrachtet wurde. Die grüne Abgeordnete Petra Kelly überreichte ihm eine Broschüre von Amnesty International über die Lage der Menschenrechte in Rumänien. In der Tat war die freie Welt immer weniger bereit, die hässlichen Züge dieser «unabhängigen» Tyrannei zu übersehen. Mit der überstürzten Rückzahlung von elf Milliarden Dollar Auslandsschulden – ein ökonomischer Selbstmordversuch – geriet das Volk in Not und Elend von einem Ausmaß, das nicht annähernd mit den sozialen Schwierigkeiten in den anderen Ostblockstaaten vergleichbar war. Gleichzeitig begann man mit ehrgeizigen, ja größenwahnsinnigen Projekten, wie etwa dem 1984 in Angriff genommenen «Haus des Volkes», einem Bauwerk, dessen Errichtung Ceauşescu persönlich betreute – nach dem Pentagon das zweitgrößte Gebäude der Welt.
Mangelwirtschaft: Ob der Letzte noch was bekommt? Fleischverkauf direkt aus dem Kühlwagen
Indessen versuchte der Staat, Elend und Unfreiheit seiner Bürger juristisch zu legitimieren. Es hagelte geradezu Dekrete, Verordnungen, Beschlüsse und Gesetze, die einschneidende Änderungen im Alltag nach sich zogen und alle ein und dieselbe Unterschrift trugen. Durch das Leben der Menschen zog sich eine Kette staatlicher Einmischungen ins Privatleben.Das fing mit der Geburt an, Verhütungsmittel jeder Art waren verboten. Das «sozialistische Familienmodell» erwartete vier Kinder von einem Ehepaar, unabhängig davon, ob entsprechende soziale Voraussetzungen vorhanden waren. So entstand der Begriff «Dekretkinder». Mit dem Gesetz über die «Beteiligung der Werktätigen aus den staatlichen Wirtschaftseinheiten an der Schaffung des Fonds für ökonomische Entwicklung», einer als freiwillige Verpflichtung getarnten Beschneidung des Gehalts, griff der Staat ins Portemonnaie der Bürger und machte nicht einmal vor dem Suppenteller halt. Mit dem «Beschluss zur wissenschaftlichen Ernährung der Bevölkerung» befahl das Regime seinem Volk eine als wohltuend propagierte Diät. Tatsächlich wurde die Lebensmittelversorgung durch diese Rationierung fast auf Kriegsniveau abgesenkt. Pro Monat und Person waren es ein Kilo Zucker, ein halber Liter Speiseöl, anderthalb Kilo Mehl, 100 Gramm Butter, zehn Eier, 3,5 Kilo Kartoffeln usw.
In den halb leeren Geschäften konnte man nach langem Schlangestehen nur das Allernotwendigste, oftmals auch nur trockenes Brot und Magermilch kaufen, das Nationalgericht «Mititei», im Normalfall gegrillte Hackfleischröllchen, enthielt immer weniger Fleisch. Später gab es nur eine Fleischsorte: Schweinefüße, die man als «Adidas» verhöhnte. Importwaren gab es, wenn überhaupt, nur aus den Ländern, in denen diese von Rumänien billig eingekauft werden konnten. So zierten in den Geschäften eine Zeit lang chinesische Shampoos, chinesischer
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