Lee, Julianne
davon.
»Es geht schon wieder. Ich habe mich ein wenig überanstrengt, fürchte ich.« Der Laird drehte eine der Ringellocken, die Sìles Gesicht umrahmten, um seinen Finger, dann legte er die Haarspitze sacht gegen eine blaulila verfärbte Schwellung auf ihrer Unterlippe. Seine Augen flammten zornig auf, und sein Blick suchte den von Ciaran. Sein Sohn verstand die stumme Botschaft. Unternimm etwas wegen Aodán, besagte sie.
Ciaran wusste, dass er um eine Auseinandersetzung mit seinem Schwager nicht herumkam. Als erstgeborener Sohn seines Vaters war es seine Pflicht, seine jüngere Schwester zu beschützen. Er nickte kaum merklich.
Doch plötzlich wurde der Laird leichenblass, seine Haut nahm eine grünliche Färbung an, und sein Gesicht verzerrte sich vor Schmerz. Er beugte sich in seinem Stuhl vor, rang röchelnd nach Luft und keuchte auf Englisch immer wieder: »O Gott... o Gott... o Gott...« Schweißperlen traten auf seine Stirn. Das Atmen schien ihm immer schwerer zu fallen.
Die Magd brachte das verlangte Ale, doch der Laird winkte ab. »Whisky. Hol mir Whisky. Rasch!« Das Mädchen eilte davon und kehrte kurz darauf mit einem Becher Whisky zurück. Dylan Dubh nahm einen großen Schluck, holte tief Luft und trank erneut. Mit zusammengepressten Lippen und unnatürlich glänzenden Augen saß er zusammengekrümmt in seinem Stuhl und atmete so ruhig und gleichmäßig, wie es ihm möglich war. Nach einigen Minuten drehte er sich zu Ciaran um und sprach mit ihm, obwohl er seinen Sohn gar nicht zu erkennen schien.
»Bring mich zu Bett. Und schick nach Robbie.«
Eine eisige Hand griff nach Ciarans Herz. Am liebsten hätte er sich geweigert, der Bitte nachzukommen; hätte den Zustand seines Vaters geleugnet, aber er nahm sich zusammen, hob den Laird aus dem Stuhl und trug ihn in den Westturm hinauf. Mit fast unhörbarer Stimme bat sein Vater darum, nur ja nicht zur Ader gelassen zu werden. Ciaran versprach es. Er kannte Pas panische Angst vor Ärzten. Auf der Treppe verlor sein Vater das Bewusstsein, sein Kopf fiel nach hinten, und sein Mund stand halb offen.
Die Dienstboten beeilten sich, das Bett des Lairds herzurichten. Ciaran legte ihn behutsam hinein, dann trat er einen Schritt zurück. Die Kammerzofe kleidete Pa aus und zog das schwere Leinenlaken und die Überdecke aus Bärenfell bis zu seinem Hals hoch.
Ein junger Bursche erschien an der Tür. »Och«, entfuhr es ihm beim Anblick seines ohnmächtigen Lairds, und seine Augen weiteten sich vor Schreck. Seine rosigen Wangen wurden blass, seine Lippen bewegten sich stumm, aber er brachte keinen Ton heraus.
Ciaran drehte sich zu ihm um und fuhr ihn gereizt an: »Steh hier nicht rum und halte Maulaffen feil, sondern lauf und hol Lady Matheson!«
Der Junge gehorchte augenblicklich.
Auch andere Dienstboten warfen im Vorübergehen einen flüchtigen Blick in die Kammer. Jedem schien das klar zu sein, was Ciaran sich nicht eingestehen wollte: Wenn kein Wunder geschah, würde dies das Sterbelager des Lairds werden. Ciaran setzte sich an den Tisch, auf dem sein Vater Papier und Schreibfedern
aufbewahrte, und schrieb ein paar Zeilen an seinen jüngsten Bruder, den fünfzehnjährigen Robert Dilean, der die Universität in Glasgow besuchte.
Kurz darauf kam Mutter Sarah mit gerafften Röcken und totenbleichem Gesicht in die Kammer gestürmt. Etwas verschmierte Erde, die an ihrem Kinn klebte, verriet Ciaran, dass sie sich im Garten um ihre Kräuter und Blumen gekümmert hatte. Als sie ihren bewusstlosen, halb unter Decken begrabenen Mann sah, murmelte sie ein leises Gebet und trat rasch zu ihm. Die Kammerzofe brachte ihr einen niedrigen Stuhl, der beim Kamin gestanden hatte, damit sie neben dem Bett Platz nehmen konnte.
Sarah ergriff die Hand ihres Mannes, tätschelte sie sanft und flehte ihn an, doch aufzuwachen. Endlich begannen seine Lider zu flattern, und er schlug die Augen auf. Sarah stieß einen erleichterten Seufzer aus. Ihre Augen schwammen in Tränen, und ihre Lippen zitterten leicht. Trotz seiner Schmerzen zwang der Laird sich, ihr zuzulächeln, ehe er ihre Hand an seine Lippen zog. »Robbie«, flüsterte er. »Holt Robbie.«
»Aye, Pa«, versicherte Ciaran ihm. »Er kommt, so schnell er kann.«
»Halte durch«, bat Mutter Sarah leise. »Um Robbies willen musst du durchhalten.« Dabei warf sie Ciaran einen verstohlenen Blick zu. Sie wusste so gut wie er, dass es selbst dem schnellsten Boten nicht gelingen konnte, Robbie vor Ablauf einer Woche von
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