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Legend - Fallender Himmel

Titel: Legend - Fallender Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Lu
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verraten - es sollte eine Überraschung sein.«
    Überraschungen kann ich im Moment gar nicht gebrauchen. Aber ich bemühe mich, trotzdem erfreut zu wirken. »Oh! Was denn?«
    »Es war Commander Jamesons Idee und sie hat es auch bei den Richtern durchbekommen. Ich glaube, sie ist immer noch ziemlich sauer darüber, dass Day sie nach seinem Fluchtversuch in die Hand gebissen hat.«
    »Was hat sie durchbekommen?«
    »Ah, da kommt gerade die Meldung.« Thomas blickt auf die Kinoleinwand und deutet auf die Schlagzeile, die soeben dort erschienen ist. »Wir haben Days Hinrichtungstermin vorverlegt.«
    Die Meldung ist nicht mehr als ein digitales Plakat, ein einzelnes, unbewegtes Bild. Sie wirkt feierlich - dunkelblauer Text und Fotos auf einem weiß-grün gemusterten Hintergrund. In der Mitte ein Foto von Day.
    STEHPLÄTZE FÜR DIE EXEKUTION VON DANIEL ALTAN WING VOR DER BATALLA-ZENTRALE,
DONNERSTAG, 26. DEZEMBER, 17:00 UHR.
BEGRENZTE PLATZZAHL
ÜBERTRAGUNG VIA JUMBOTRON
    Alle Luft scheint aus meiner Brust zu entweichen. Ich blicke Thomas an. »Heute?«
    Thomas grinst. »Heute Abend. Toll, oder? Dann müssen Sie sich keinen weiteren Tag mehr quälen.«
    Ich lasse meine Stimme fröhlich klingen. »Gut. Das freut mich wirklich.«
    Doch meine Gedanken beginnen, sich vor lauter Panik zu überschlagen. Das kann alles Mögliche bedeuten. Dass Commander Jameson die Richter überredet hat, die Hinrichtung um einen ganzen Tag vorzuverlegen, ist an sich schon ziemlich ungewöhnlich. Jetzt wartet schon in acht Stunden das Erschießungskommando auf Day, gleich bei Sonnenuntergang. Sogar die Uhrzeit haben sie geändert. Was, wenn die Patrioten sich heute nicht mehr mit mir treffen können? Und wenn ich ihnen keine Uniformen mehr besorgen kann?
    Ich kann Day nicht bei der Flucht helfen.
    Aber das ist noch nicht alles. Commander Jameson hat mir absichtlich nichts gesagt. Wenn Thomas schon gestern Nacht Bescheid wusste, muss sie es ihm abends noch erzählt haben, als Letztes, bevor sie ihn nach Hause schickte. Warum wollte sie mir nichts sagen? Sie müsste doch davon ausgehen, dass ich mich darüber freue, wenn Day fünfundzwanzig Stunden früher stirbt als geplant. Es sei denn, sie hat einen Verdacht. Vielleicht wollte sie mich auch vor vollendete Tatsachen stellen, um meine Reaktion zu testen. Weiß Thomas etwas und verschweigt es mir? Täuscht er vielleicht nur vor, nichts über die Abläufe zu wissen, um die Wahrheit zu verbergen - oder lässt Commander Jameson ihn etwa auch im Ungewissen?
    Der Film fängt an. Ich bin froh, dass ich jetzt nicht mehr mit Thomas reden muss und in Ruhe nachdenken kann.
    Planänderung. Oder der Junge, der nicht der Mörder meines Bruders ist, wird heute Abend sterben.

DAY
    Mein neuer Hinrichtungstermin nähert sich ohne Fanfaren, aber begleitet von einem gelegentlichen Donnergrollen von außerhalb des Gebäudes. Natürlich kann ich den Sturm von meiner Zelle aus, mit ihren kahlen Stahlwänden, den Sicherheitskameras und den nervösen Soldaten, nicht sehen - darum kann ich nur erahnen, wie der Himmel wohl aussehen mag.
    Um sechs Uhr morgens schließen die Soldaten meine Ketten auf und machen mich von der Zellenwand los. Das ist Tradition so. Die letzten Stunden, bevor ein öffentlich verurteilter Verbrecher vor das Erschießungskommando tritt, gibt es eine Live-Übertragung aus seiner Zelle an alle JumboTrons in der Umgebung. Dafür nehmen sie einem die Fesseln ab, in der Hoffnung, dass man irgendetwas Unterhaltsames anstellt. Ich habe solche Übertragungen selbst schon gesehen - und die Zuschauer auf dem Platz sind ganz wild darauf. Meistens passiert nämlich wirklich etwas: Manchmal bricht der Verurteilte zusammen und fleht und bettelt die Wachen an oder versucht, sie zu einem Handel oder einem Aufschub zu erweichen, manche versuchen sogar auszubrechen. Das ist noch nie jemandem gelungen. Sie senden deine Bilder live auf den Vorplatz, bis die Zeit gekommen ist. Dann schwenken sie um zu dem Erschießungskommando auf einem Innenhof der Batalla-Zentrale und schließlich zeigen sie wieder dich auf dem Weg zu deiner Hinrichtung. Die Zuschauer schreien und kreischen - manchmal vor Begeisterung wenn sie die Schüsse hören. Und anschließend ist die gesamte Republik zufrieden mit sich und damit, wieder einmal an einem Verbrecher ein Exempel statuiert zu haben.
    Danach werden noch mehrere Tage lang Wiederholungen der wichtigsten Szenen gesendet.
    Ich könnte jetzt frei in meiner Zelle herumlaufen, aber ich

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