Legenden d. Albae (epub)
angewandt.«
Raleeha zauderte nicht. »Herrin, versucht dieses Mittel an mir. Bitte.«
»Es freut mich, das zu hören.« Tarlesa schüttelte ein Fläschchen, wie das Gluckern verriet. »Doch vernimm, was dir geschehen kann.« Ihre Stimme wurde dunkler. »Gelangt die Tinktur in dein Blut, wirst du sterben. In zwei Fällen haben die Barbaren, die ich damit behandelte, ihr bisschen Verstand verloren. Dein Auge könnte auch wachsen und wachsen und dir aus dem Kopf quellen und platzen. Oder es wächst, und dennoch wirst du nicht zwangsläufig etwas sehen können. Es kann sich entzünden und du …«
»Herrin«, unterbrach Raleeha sie ungeduldig. »Tut es! Es ist mir gleich, was mir geschehen kann. Ich muss es wenigstens versucht haben.«
»Erwähnte ich die unsäglichen Schmerzen?«
»Einerlei, Herrin! Ich ertrage sie.«
Das Schütteln endete, ein Korken wurde entfernt. Leise schlürfend füllte sich eine Pipette. »Du bist eine starke Barbarin, Raleeha. Wir werden gleich bemerken, was du ertragen kannst.«
Raleeha bildete sich ein, die Tropfen zu hören, die aus dem schlanken Ende träufelten und auf den Rest ihres Auges niedergingen. Nervös wartete sie, was geschah. Ein paar Tropfen waren fehlgegangen, rannen die Augenhöhle hinab.
»Und?«, fragte Tarlesa neugierig. »Wirkt es?«
»Nein, Herrin«, antwortete Raleeha enttäuscht.
»Dann muss ich es in den verkapselten Rest einbringen.« Wieder ertönte metallisches Klirren, gefolgt von einem Schleifen und dann einem Schlürfen.
Ein greller Schmerz schoss durch Raleehas Kopf. Säure füllte die Augenhöhle aus, und sie wandte den Kopf in einem Reflex zur Seite. Die Tinktur ergoss sich auf ihre Nasenwurzel und sickerte weiter.
»Verflucht!« Tarlesa zog das Würgehalsband enger. »Lieg still, hörst du?«
Raleeha bekam keine Luft mehr. Röchelnd versuchte sie, Luft zu schöpfen. Doch die Albin hatte alle Schnallen auf die engsteStufe gestellt. Ihr Verstand driftete in die Ohnmacht, ihre Glieder erschlafften, und der Schmerz in ihrem Auge wurde weniger.
Da wurde das Leder gelockert. Hastig sog sie die Luft ein, und ihr Bewusstsein kehrte zurück. Damit auch die verebbten Qualen.
»Ich habe das Mittel in den Augenrest eingefüllt«, sagte Tarlesa böse. »Ich habe zu viel davon verschwendet, da du dich bewegt hast, Sklavin. Hast du eine Vorstellung, wie kostbar es ist? Dafür bekommst du zehn Stockhiebe.« Sie rief wieder nach der anderen Sklavin, die gleich darauf ins Zimmer eilte. Ihren Namen hatte Raleeha nicht verstanden. »Zehn Hiebe auf die nackten Brüste für die hier«, befahl sie harsch und klang unerbittlich wie bei ihrem ersten Zusammentreffen. »Raus mit ihr.«
Raleeha wurde auf die Füße gezerrt, ohne Rücksicht durch die Räume und die Treppen hinuntergeschleift. Plötzlich stand sie in der kalten Luft, mitten im Nieselregen.
Ein harter Ruck, und ihre Brüste waren entblößt.
Raleeha wehrte sich nicht, schrie erst nach dem dritten Hieb. Die Pein der Bestrafung überlagerte das säureartige Brennen in ihrem Auge, mit dem zehnten Schlag brach sie im Matsch zusammen. Blut lief ihren Bauch entlang, und ihre Brüste fühlten sich wie zerfetzte Säckchen an.
»Komm, Raleeha«, sagte die Sklavin freundlich. »Du hast es überstanden. Ich habe eine sehr gute Wundsalbe von der Gebieterin bekommen. Es werden nicht einmal Narben bleiben.«
Raleeha weinte und stöhnte, hielt sich die geschundenen Stellen. Eine Frau wusch sie mit warmem Wasser und tupfte sie behutsam trocken; anschließend fühlte Raleeha eine kühlende Salbe auf der glühend heißen Haut. Jemand geleitete sie zu ihrem Lager, in dem zehn Dreifachbetten standen, und half ihr, in die oberste Etage zu steigen.
Um sie herum wurden leise Unterhaltungen geführt, einige Sklaven ließen den Tag in Erzählungen ausklingen. Mehrmalsvernahm Raleeha ihren Namen.
Sie befühlte ihre linke Brust. Die Salbe wirkte exzellent: Die Schmerzen waren so gut wie verschwunden, die Schwellung ließ nach. Sie dachte daran, wie viele Barbaren es wohl das Leben gekostet hatte, um die genaue Wirkung zu ergründen.
Und wieder meldete sich die kleine Stimme in ihrem Hinterkopf, die all die Grausamkeit und Willkür der Albae anprangerte. Die eine Flucht verlangte. Die sich beschwerte, einmal mehr wegen einer Nichtigkeit bestraft worden zu sein.
Raleeha beschwichtigte sie, indem sie sich vorstellte, bald wieder sehen zu können. Dann betete sie für Sinthoras. Er befand sich gewiss in Ishím Voróo,
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