Legenden d. Albae (epub)
ihn zur Seite. So sehr er ihn liebte und üblicherweise beim Malen davon trank, heute sagte er ihm nicht zu. Er war zu aufgeregt.
»Ausgezeichnet«, raunte er mit leuchtenden Augen und schlug die zitternden Hände fest zusammen, um nicht doch nach dem Pinsel zu langen.
Lautes Klatschen hallte durch den hohen Raum mit dem großen Fenster, durch welches das Sonnenlicht fiel; das Glas war in einem leichten Blau getönt. Lüftungsklappen ließen frische Luft herein. Entlang der Zimmerwände standen fünf Schritt hohe Regale voller verschlossener Gläser in verschiedensten Größen, gefüllt mit flüssigen und festen Ingredienzen, Pigmenten, Farben und Mischungen, die er zum Malen benötigte. Alle waren kostbar, manche extrem selten und einige unbezahlbar. Nur mithilfe einer langen Leiter, die auf Rollen hin und her geschoben werden konnte, waren die obersten Regale zu erreichen.
Sinthoras strich erhobenen Hauptes um die Staffelei, Ungeduld und Tatendrang trieben ihn an. Das weite, dunkelrote Gewand mit den schwarzen und weißen Stickereien darauf bewegte sich fließend, gleich der Oberfläche eines Sees. Hier und da waren Farbflecken darauf zu sehen, manche älter, manche frisch. Zeugen seines Schaffens.
Er hatte die langen blonden Haare zu einem Zopf gebunden, damit sie nicht aus Versehen in Berührung mit der Farbe auf der Palette oder dem Bild kamen. Das betonte sein schlankes, hübsches Gesicht zusätzlich; die Ohrmuscheln liefen spitz zu und zeigten, dass seine Schönheit nicht menschlicher Natur war.
Sinthoras trat an das Fenster und öffnete die Flügel. Das vergehende Sonnenlicht fiel herein, auf die Staffelei und auf ihn, und seine Augen färbten sich auf der Stelle schwarz und wurden zu dunklen Löchern. Tief atmete er die hereinströmende Luft ein.
Samusin erweist mir seine Gunst,
dachte er und spürte den belebenden Ostwind auf seinem Gesicht. Die leichte Böe trug den Geruch von frischen Blüten mit sich; einzelne weiße Blätter wirbelten in den Raum und ließen sich auf dem dunklen Steinboden nieder.
Es pochte gegen die Eingangstür. »Der Gott der Winde ist mit Euch«, hörte er die Stimme eines Albs gleich darauf sagen. »Er sandte seinen belebenden Ostwind, um Euer Einfühlungsvermögen zu stärken.«
Sinthoras wandte sich um und verneigte sich vor dem rothaarigen Alb, der auf der Türschwelle stand; ein schwarzbrauner Mantel verbarg seine Kleidung. »Ich danke Euch, dass Ihr meine Malerei mit dem Eurigen Talent unterstützt, Helòhfor. Erst Ihr werdet es zu einer Besonderheit machen.«
Helòhfor trat in den Raum, zwei Sklaven in schlichten, grauen Kleidern folgten ihm. Dem Körperbau nach waren es Menschen; der Alb hatte ihre hässlichen, groben Züge, die man kaum Gesicht nennen durfte, mit einem Schleier versehen. Niemand, der Anstand besaß, ließ die Sklaven unbedeckt in der Stadt herumlaufen.
Einer der beiden nahm Helòhfor den Mantel ab, sodass sein schwarzes Seidengewand mit den dunkelroten Ziersäumen zum Vorschein kam. Der andere trug einen großen Koffer und stellte ihn auf ein Zeichen von Sinthoras neben einem Sessel ab. Dann sandte Helòhfor die Sklaven hinaus und setzte sich. Aufmerksam betrachtete er seinen Gastgeber, die Arme locker auf die Lehnen gelegt. »Ihr seid Euch sicher, dass Ihr das wollt, Sinthoras?«
»Unbedingt«, kam es ohne zu zögern über seine Lippen. »Ich bin begierig zu erfahren, was geschieht, wenn ich meinen Schaffensdrang mit der Wirkung der Töne eines Seelenberührers verbinde.«
»Nun, das vermag selbst ich nicht vorherzusagen. Ein jeder Alb empfindet sie anders.« Helòhfor richtete die schwarzen Augen auf Sinthoras, den er mit Blicken prüfte. »Ihr könnt in Trance verfallen und steif wie ein Stock dastehen. Ihr könnt von dem Wunsch beseelt werden, durch das Fenster zu springen und in die Tiefe stürzen zu wollen. Oder Ihr werdet nach Blut lechzen.« Der Seelenberührer sah zur Leinwand. »Dass Ihr in diesem Zustand ein Bild vollendet, ist eine Möglichkeit von vielen.«
»Tut es, Helòhfor!«, drängte Sinthoras in einer Mischung aus Bitten, Befehl und Verlangen. Er war sich der Unhöflichkeit bewusst, konnte sich aber nicht dagegen wehren. Er wollte unbedingt ein Werk schaffen, das die Bilder der anderen Maler in Avaris ausstach. Alle sollten sehen, dass er nicht nur ein ausgezeichneter Krieger, sondern ein unvergleichlicher Künstler war. »Tut es«, fügte er sanfter hinzu und eilte zur Leinwand.
Eine einzige Farbe würde die Leinwand
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