Legenden der Traumzeit Roman
vorbeigekommen war, doch ihr Kopf fühlte sich eigenartig leicht an, nachdem sie so viel getrunken hatte, und sie wollte nur noch unter ihre Opossumdecke kriechen und schlafen.
Sie rückte näher ans Feuer, kuschelte sich ein und ließ sich von der Wärme durchdringen, während die Gespräche weitergingen. Trotz ihrer Abgeschiedenheit hatten Ruby und die anderen mit der Zeit die meisten ihrer weit verstreuten Nachbarn kennengelernt, und einige von ihnen hatten sich für diesen besonderen Anlass zu ihnen gesellt und etwas zum Festessen beigetragen. Zwei Siedler waren gekommen, Söhne von Engländern, die hier draußen ihr Glück suchten, ein umherziehender Schäfer und zwei Viehtreiber, die unterwegs nach Osten waren, um eine neue Stelle anzutreten. Kumali hatte bemerkt, wie sie von ihnen angestarrt wurde, und aus ihren Mienen geschlossen, dass sie etwas gegen sie hatten. Daher hatte sie sich den ganzen Abend nah an Duncan gehalten.
»Warum bleibt ihr nicht hier?«, fragte James. »Wir haben Arbeit genug für Hunderte euresgleichen.«
Der Ältere der beiden Viehtreiber verzog das Gesicht. »Wir gehen da hin, wo das Geld ist«, murmelte er. »Im Osten wird besser gezahlt, und es ist nicht so abgeschieden.«
»Die Entscheidung liegt natürlich ganz bei euch«, sagte einer der Engländer. »Schade, dass es hier in der Gegend keine Sträflinge mehr gibt, um die Arbeit zu erledigen, denn sie waren nicht so wählerisch. Es hat keinen Zweck, die Schwarzen an die Arbeit zu kriegen – die sind ein fauler Haufen und rennen weg, sobald man ihnen etwas zu essen gegeben hat. Ich weiß nicht, wie wir es schaffen wollen, nachdem wir nun mit den Frühlingslämmern zu kämpfen haben.«
Kumali kroch noch tiefer unter die Decke, da die grimmigen Worte des Mannes ihr Angst einjagten. Anscheinend würde ihr Volk nie anerkannt oder verstanden werden. Aber sie hatte nicht das Recht, es oder sich selbst zu verteidigen – am besten tat sie so, als hätte sie nichts gehört.
Die beiden Engländer sprachen von England als ihrer Heimat, obwohl sie seit mehr als fünfzehn Jahren hier draußen in Australien lebten.
»Verdammte Einwanderer«, schnaubte Fergal, der ausgestreckt auf dem Rücken lag, unfähig zu sitzen, nach all dem Wein, den er getrunken hatte. »Kommen hier raus und wollen noch immer am Rockzipfel von Queen Victoria hängen. Wenn es euch so gut gefallen hat, warum seid ihr dann überhaupt weggegangen?«
»Das Abenteuer, alter Mann, deshalb. Nur schade, dass uns keiner gewarnt hat, wie primitiv das alles sein würde.«
Die Schäfer beklagten den Schafdiebstahl, die Bedrohung durch Dingos und angriffslustige Aborigines. Dann beschwerten sich die Viehtreiber über die Viehdiebe. Der Diebstahl von Kälbern, die noch kein Brandzeichen trugen, war in der gesamten Region inzwischen weit verbreitet.
Duncan sprach von Tierkrankheiten, die in wenigen Tagen eine komplette Herde dahinraffen konnten, und von fehlender Hilfe, was bedeutete, dass Schäfer, Viehtreiber und Siedler den ganzen Tag auf dem Rücken ihrer Pferde zubringen mussten, um ihr Vieh zu bewachen. »Wir leben wie die Zigeuner«, brummte er, »schlafen nachts unter Bäumen und nie zwei Mal hintereinander an derselben Stelle.«
»Nehmt noch einen Schluck«, forderte James sie auf, »und lasst uns heute Abend alle Probleme vergessen! Wir sollten feiern.«
Als die Flammen allmählich verloschen und die Gespräche verstummten, wickelten sie sich in Mäntel und Fellumhänge, um die nächtliche Kälte abzuwehren, und begannen bald zu schnarchen.
Kumali, die eine Weile eingedöst war, lag auf dem Rücken und schaute nach oben. Die Sterne waren so hell und zahlreich auf dem Großen Weißen Weg, dass sie das Gefühl hatte, die Hand ausstrecken und sie vom Himmel pflücken zu können. Tief im Opossumfell vergraben, wandte sie sich von dieser himmlischen Pracht ab und beobachtete den schlafenden Duncan, der ganz in ihrer Nähe lag. Er hatte zu seinem Wort gestanden und sie freundlich behandelt, seit sie zugestimmt hatte, bei ihm zu bleiben; dennoch fragte sie sich, wie es wohl wäre, unter die Felle zu kriechen, mit denen er zugedeckt war, seine Arme um sich zu spüren und die Intimität seines Bettes zu teilen.
Im Schlaf wurde sein Gesicht jugendlich, die Sorgenfalten und seine übliche Verdrossenheit waren wie weggewischt. Sie betrachtete die starken, geschickten Hände, die auf den Decken lagen, denn sie wusste, wie zärtlich sie waren, wenn sie ein Lamm auf die Welt
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